Wahl-Pflicht

Während sich andere bei Krimi-Serien vor dem TV entspannen, schalte ich derzeit nur auf Sender, die Politiker zeigen. Das ist nicht ganz normal, ich weiß. Zumindest nicht, wenn man 33 Jahre alt ist und nicht in irgendeiner Parteijugend oder Vorfeldorganisation sozialisiert wurde. Doch ich brauche weder Naheverhältnis noch Versorgungsjob, um mich für österreichische Innenpolitik zu interessieren. Und ich bin der Meinung, dass alle, die sich überhaupt nicht dafür interessieren, einen Schaden haben.

Man muss nicht jede Fernsehdiskussion verfolgen oder alle Tweets von Rudi Fußi und Armin Wolf faven. Auch muss man gar nicht von einer Partei überzeugt sein (oft reicht das geringste Übel). Aber man sollte sich doch bitte zumindest alle fünf Jahre eine meinung bilden, wie dieses Land geführt werden soll. Und da argumentiere ich jetzt gar nicht mit der Gnade, die wir täglich genießen, weil wir in dieses westlich geprägte, demokratische Land geboren wurden. Anderswo riskieren Menschen bekanntlich heute ihr Leben um überhaupt eine Wahl zu haben.

Ich argumentiere lieber damit, dass es einem doch nicht völlig egal sein kann, wie sich diese Gesellschaft in den nächsten Jahren entwickelt. Natürlich ändern Wahlen etwas, natürlich kann man als Bürger verlangen, dass Politiker auch in den Lauf der Dinge eingreifen. Welche Steuern will ich zahlen? Welche Bildung will ich für meine Kinder? Welche Pension erwarte ich mir im Alter? Ich bleibe dabei: Wer dazu keine Meinung hat, der hat einen Schaden.

PS: Johann Höfinger (ÖVP) und Anton Heinzl (SPÖ) waren im Regionalwahlkreis NÖ-Mitte „unsere“ Abgeordneten. Beide haben vor rund einem Jahr für das Abdrehen des U-Ausschusses zur Klärung von Korruptionsvorwürfen gestimmt.

Quelle: http://www.dasmfg.at, Ausgabe September 2013

Mit dem Frühstückskipferl gegen eine neoliberal-finanzkapitalistische Regierung.

Die Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter, Filiale St. Pölten, lässt wissen, dass sie den Kampf gegen eine „neoliberal-finanzkapitalistische Regierung“ aufgenommen hat. In früher Morgenstunde wurde mit Kipferl und Infoflyer zurückgeschossen – um einen Anschlag auf die „treuesten KundInnen“ aufzuzeigen.

Wer ist der Bösewicht? Die private Bahngesellschaft „Westbahn“, welche Tage zuvor angekündigt hatte bei den für Pendler wichtigen Monatskarten teurer zu werden. Wer einen Blick in die Westbahnzüge zwischen St. Pölten und Wien riskiert, der versteht diesen Schritt. Die Züge sind immer voll, was wohl auch daran liegt, dass die Westbahn als privater Verkehrsanbieter günstiger ist, als die staatliche ÖBB.

Da ist es wohl das gute Recht, dass dieser private Anbieter die Preise erhöht. Entweder um einen Lenkungseffekt zu erzielen und somit vielleicht doch den einen oder anderen Pendler auf der Kurzstrecke zu verlieren (womit die Reisequalität für Gäste auf längeren Strecken, etwa nach Salzburg, erhöht würde). Oder auch einfach in der Absicht die Rentabilität in diesem stark nachgefragten Geschäftsbereich zu erhöhen.

Doch was geht das die Gewerkschaft an? Ist es ihr Ziel, einem privaten Unternehmen die Preispolitik zu diktieren? Dafür gibt es den Kunden, der auf einem funktionierenden Markt den Anbieter wählt, der das beste Angebot macht. Auch ist es der Westbahn zu verdanken, dass in Österreich überhaupt erstmalig so etwas wie ein „Markt“ im Personenverkehr auf Gleisen zwischen St. Pölten und Wien entstanden ist.

Doch wie so oft in diesen Tagen wird man wohl auch diese Aktion auf die kommende Nationalratswahl schieben müssen. Soll halt sein, dass FSG/SPÖ ausrücken um den Teufel einer „neoliberal-finanzkapitalistischen Regierung“ an die Wand zu malen. Dass zur tatsächlichen Preissteigerung im täglichen Leben gerade jene etablierten Machtparteien beitragen, die in diversen Gebietskörperschaften und Gremien anschaffen, sei erwähnt: Ein Gros der Teuerung geht auf Kosten gestiegener Gebühren und Abgaben. Auch die Strompreise staatsnaher Unternehmen sollen überdurchschnittlich gestiegen sein. Oft liegt das Marktversagen (mangelnder Wettbewerb) also an einem Versagen der Politik.

Als unterhaltsamen Ausklang nun noch die zitierte Presseaussendung im O-Ton:

FSG/SPÖ informierten über unfaire Preise PendlerInnen – Ergebnis unnützer Privatisierungen:
Um besonders die betroffenen PendlerInnen die drohenden weiteren Privatisierungen und Preissteigerungen einer neoliberal-finanzkapitalistischen Regierung zu informieren und aufmerksam zu machen, verteilten Sozialdemokratischen GewerkschafterInnen gemeinsam mit der SPÖ Bezirksorganisation frühmorgens am Hauptbahnhof St. Pölten Infoflyer und dazu gab es ein Frühstückskipferl.
Also ein Anschlag an die treuesten KundInnen – dies sind Auswirkungen von Privatisierungen in Reinkultur…. und wird das erst der Beginn sein ??!!
Bild: unter der Leitung von FSG NÖ-Zentral Vorsitzender Herta Priesching, FSG St.Pölten Vorsitzenden Hans-Joachim Haiderer, NR Johann Hell und NR Anton Heinzl, verteilten StadträtInnen, GemeinderätInnen, Landtagsabgeordnete, BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen die Infoflyer incl. Frühstückskipferl vor dem Bahnhof St. Pölten.
(Quelle: FSG Regionalsekretariat, Gewerkschaftsplatz 1, 3100  St. Pölten)

Das Wetter. Aus der Reihe „St. Pöltens Minderwertigkeitskomplex.“

Ende August informierte St. Pölten die Welt, dass es bitte schön auch ein Wetter habe. Und dass es (St. Pölten) super schön und super toll ist und dass es viel zu entdecken gäbe und dass man bitte auch beim Fernsehsender „Servus TV“ in den Wetternachrichten auf der Wetterkarte eingezeichnet sein will. SO WIE DIE ANDEREN LANDESHAUPTSTÄDTE AUCH!

Im Original liest sich das so. Und man kann auch sagen, dass es schon okay ist, wenn Tourismus- und Stadtmarketing-Experten in dieser Sachlage einen suboptimalen Zustand sehen. Ein freundlicher Anruf bei der Wetterredaktion, eine Hinterfragen, ob das nicht seltsam sei, alles nachvollziehbar.

Aber man darf sich nicht wundern, wenn Gott und die Welt peinlich berührt bis schlicht amüsiert reagiert, wenn sich die kleinen St. Pöltner Hascherln aufbudeln, weil sie im Wetterprogramm nicht vorkommen. Im Original so:

Im St. Pöltner Rathaus langten Beschwerden ein, dass auf der Landkarte zum Wetterbericht bei ServusTV die Landeshauptstadt St. Pölten des flächenmäßig größten österreichischen Bundeslandes nicht eingezeichnet ist. Die Landeshauptstädte aller anderen Bundesländer sind hingegen angeführt.

St. Pölten, primus inter pares, weil Landeshauptstadt des flächenmäßig größten Bundeslandes. Da können wir uns derartige Schmähung natürlich nicht gefallen lassen… Und weiter:

„Ein Schreiben an die Redaktion ist bereits unterwegs, denn es ist nicht akzeptabel, dass St. Pölten als Landeshauptstadt gänzlich negiert wird und damit auch „kein Wetter“ hat. Ich glaube nicht, dass das „zufällig“ passiert. Deshalb habe ich die zuständigen Redakteure nach St. Pölten eingeladen. Es gibt hier so viel zu entdecken, dass sie später sicher nicht mehr auf St. Pölten vergessen“, ergreift Bürgermeister Mag. Matthias Stadler die Initiative.

Der Bürgermeister ergreift also die Initiative und glaubt nicht, dass das (das Weglassen St. Pöltens aus der Wetterkarte) zufällig passiert ist. Man müsse also touristische Überzeugungsarbeit leisten, dass in Zukunft nicht mehr auf St. Pölten vergessen werde.

Angeblich, so hört man, sei die Wetterkarte mittlerweile geändert, auch St. Pölten habe nun „sein Wetter“. Am Ende wird dann vielleicht doch noch alles gut.

Quelle Pressetext Medienservice St. Pölten: http://www.st-poelten.gv.at/Content.Node/presse/St._Poelten_ohne_Wetter.at.php