Kein Kommentar

Wenn es schwierig wird, kann man sich‘s auch einfach machen: „Kein Kommentar.“ Was bei Privatangelegenheiten legitim sein mag, wird zum Problem, wenn die bequeme Kein-Kommentar-Haltung ausufert.Es würde uns nämlich schon interessieren, wie eine Bank den massiven Vorwürfen von Gemeindepolitikern begegnet, sie hätte sich auf Kosten der Gemeindebürger unverfroren bereichert. Faire Berichterstattung in Medien wird erschwert, wenn sich einer aus der Diskussion ausklinkt.
Besonders ärgerlich wird es, wenn jene schweigen, die eigentlich ganz viel zu sagen hätten. Wenn man sich nach „reiflicher Überlegung im Team“ entschließt nichts zu sagen, weil … Sie wissen … alles heikel … und die Medien sowieso alle so arg …
Aber gerade wenn es heikel ist, wären Fachleute in der Pflicht, Medien dabei zu helfen ihre Arbeit besser zu machen. Sie müssten uns sogar in die Verantwortung nehmen, die Realität in all ihrer Komplexität und Problematik einzufangen und seriös darzustellen. Schweigen ist natürlich einfacher. Keine Gefahr falsch verstanden oder gar instrumentalisiert zu werden. Doch es ist ein Armutszeugnis, wenn sich etablierte Einrichtungen zu einem brandaktuellen und komplexen Thema in diesem Medium nicht äußern wollen. Auch wenn sich andere Experten finden und das Bild in Summe ohnedies stimmig ist – gerade als öffentlich finanzierte Einrichtung hat man einen Auftrag. Der besteht auch darin, die eigene Sinnhaftigkeit durch die eigene Kompetenz zu belegen. Schade darum. Denn Medien können mehr, als Fußballturniere mit einem Zweizeiler ankündigen, oder dann als nützlicher Kanal dienen, wenn wieder mal um die Subventionshöhe gekämpft wird. Und:  die politischen „Masterminds“ sind gefordert ihre Fachleuten zu stärken – anstatt Maulkörbe umzuhängen.

Kolumne aus MFG-Das Magazin, September 2014.

Zu Gast in St. Islam

Integration ist an sich ein komplexes Thema. Und seit neuerdings durchgeknallte
Glaubensfanatiker von Österreich aus in den Heiligen Krieg ziehen, wird über politisch-radikalen
Islam heißer diskutiert denn je. Rund acht Prozent der St. Pöltner Bevölkerung gehören zur
muslimischen Glaubensgemeinschaft. Eine Bestandsaufnahme.

Die ganze Reportage online lesen!

 

„Der Richter hat weit über die Stränge geschlagen!“

Es geht um sehr viel Geld für St. Pölten – oder die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien (RLB). Seit Mai steht das Verfahren am Handelsgericht Wien über ein katastrophales SWAP-Geschäft still, weil die Stadt die Ablehnung des Richters beantragt hat. Wir fragten Stadtanwalt Lukas Aigner nach den Gründen sowie seine Sicht der Dinge. (Ursprünglich erschienen in MFG-Das Magazin, September 2014.)

Bei der letzten Verhandlung am Handelsgericht Wien beantragten Sie die Ablehnung von Richter Martin Ogris. Was hat für diesen nicht alltäglichen Schritt den Ausschlag gegeben?
Das Verfahren war schon von Anbeginn über weite Teile durchaus emotional, die Medien und die Öffentlichkeit haben entsprechendes Interesse gezeigt. Harte Diskussionen kommen bei Gericht oft vor, müssen aber immer sachlich bleiben. Der Richter hat in der letzten Verhandlung mit seinen Aussagen aber weit über die Stränge geschlagen. Sein Verhalten war mit den Grundsätzen eines objektiven Verfahrens nicht mehr in Einklang zu bringen. Zu einem Zeitpunkt, als die Zeugenbefragung in vielen Punkten nicht abgeschlossen war, wurden zentrale Zeugen persönlich angegriffen und Beweise vorab gewürdigt. Dabei sieht die Zivilprozessordnung klare Spielregeln vor – diese wurden nicht eingehalten. Ich bin durch meine jahrelange Vertretungstätigkeit vor Gericht einiges gewöhnt und musste bisher noch nie einen Richter in der Verhandlung ablehnen.

Als Sie den Ablehnungsantrag formulierten, waren alle Anwesenden überrascht. Hatten Sie diesen Schritt im Vorfeld mit der Mandantin erläutert bzw. sich dafür das nötige Pouvoir geholt?
Die Zivilprozessordnung sieht eine unverzügliche Rügepflicht vor, wenn der Anwalt den Eindruck gewinnt, dass der Richter zu einer unbefangenen Verfahrensführung nicht mehr in der Lage ist. Daher musste der Antrag auch sofort gestellt werden, als er aus meiner Sicht geboten war. Eine Konsultation mit der Mandantin wäre also in einer solchen Situation gar nicht möglich. Außerdem vertrete ich nur die Interessen der Mandantin. Das inkludiert natürlich auch derartige Schritte, wenn diese geboten sind, um die Interessen zu schützen.

Als Prozessbeobachter hatte man den Eindruck, dass im Verfahren wenig weitergeht. Ewig wurde um des Kaisers Bart diskutiert. Nun sind wieder vier Monate seit dem Ablehnungsantrag verstrichen. Spielt St. Pölten hier auf Zeit?
Die Verhandlungshoheit obliegt dem Richter. Der überwiegende Teil der Argumente liegt ja bereits vor einer mündlichen Verhandlung in Form von Schriftsätzen vor, die mündlichen Sachvorträge während einer Verhandlung sind eher die Ausnahme. Wie viel diskutiert wird, liegt in erster Linie an der Verhandlungsführung des Richters, er gibt die Linie und die Richtung vor, er kann Diskussionen befeuern oder abdrehen. Diskussionen sind ja hilfreich, um den Prozessstoff zu gliedern. Grundsätzlich hat der Richter ja die Aufgabe im Beweisverfahren alle Beweismittel zu sichten, insbesondere die Zeugen zu hören, erst danach fällt er sein Urteil. Da ist es natürlich wichtig, dass er das Verfahren auch aktiv lenkt. Als Klägerin und als Beklagte muss man die Möglichkeit haben, alle relevanten Aspekte vorzubringen. Es ist sinnvoll, dass der Richter auch herausarbeitet, an welchen Aspekten er denkt, dass sich das Verfahren entscheiden wird. Und zu diesen Punkten sollen dann beide Parteien ihre Argumente und Beweise vorbringen. Da muss man sich nicht an Nebenschauplätzen aufhalten. Dass ein solches komplexes Verfahren länger dauert, ist normal, da kann man dem Richter keinen Vorwurf machen.

Der negative Anfangswert des umstrittenen Geschäftes führte oft zu Grundsatzdiskussionen zwischen Ihnen und dem Richter. Warum ist Ihnen dieser Aspekt so wichtig?
Es wäre meiner Meinung nach ein kluger erster Schritt, wenn man durch ein Gutachten eines Bankfachmanns genau dieses Geschäft bankfachlich in allen relevanten Aspekten ausleuchten würde. Das wurde im Verfahren Bruck an der Leitha auch gemacht und hat rasch zu einem Urteil geführt. Eine Fülle von Privatgutachten liegt ja bereits vor.
Wir sehen das Phänomen eines hohen negativen Anfangswerts auch in anderen Fällen, bei denen Banken mit Kommunen Derivativgeschäfte geschlossen haben: Diese Produkte haben offenbar dem Geschäftsmodell nach einen hohen negativen Anfangswert, den aber nur die Bank kennt. Dieser wirkt sich über mehrere Ebenen sehr negativ für den Kunden aus.
Ein weiteres zentrales Problem ist, dass Gemeinden weder die nötige Technik noch das nötige Know-How haben, um derartige komplexe Geschäfte wirklich zu managen – das können nur größere Banken. Dort gibt es spezialisierte Abteilungen, die das Risiko von Anfang an genau abschätzen, laufend messen, überwachen und im Fall des Falles auch in der Sekunde begrenzen können. Die Überwachung erfolgt rund um die Uhr, durch einen ganzen Stab an Experten mit komplexer EDV-Unterstützung.
Würde man sich im gegenständlichen Fall die Stadt St. Pölten wegdenken, so hätte die RLB das Geschäft gar nicht mit Meryll-Lynch abschließen können – sie hätte es laut den uns vorliegenden Zahlen gar nicht ohne Sicherung in ihren Bankbüchern untergebracht, weil das Risiko selbst für die Bank und deren Limits viel zu hoch war. Das erkennt aber nur ein Derivate-Fachmann mit finanzmathematischer Ausbildung.
Der Deutsche Bundesgerichtshof hat bereits 2011 ein Grundsatzurteil gefällt, dass eine Bank bei derartigen Geschäften dem Kunden den eigenen Interessenskonflikt und den negativen Startwert des Geschäfts offenlegen muss. Die Gemeinde glaubt, die Bank empfiehlt ein für die Gemeinde vorteilhaftes Geschäft – in Wahrheit ist das aber nicht der Fall, das Geschäft ist wegen dem negativen Startwert massiv unausgewogen. Das provoziert nicht nur einen Interessenkonflikt, sondern wirkt sich auch massiv auf das Risiko der Gemeinde aus. Die Bank wettet damit gewissermaßen gegen den Kunden.
Wäre das gegenständliche Geschäft nicht von den Banken geschickt als „Swap“ mit geringem Nominal getarnt worden, sondern so wie es der Wirklichkeit entspricht als Kombination von 67 Währungs-Optionsgeschäften im Schweizer Franken, hätte es von Anfang an nie und nimmer in den Betrags- und Risikolimits untergebracht werden können, welche der Gemeinderat von St. Pölten vorgegeben hatte. Limits, die übrigens gemeinsam mit der RLB erarbeitet wurden. Die Bank hatte also jederzeit einen massiven Wissensvorsprung vor ihrem Kunden und hat diesen nach unserem Standpunkt auch ausgenützt.

Mit Ende März hat St. Pölten die Zahlungen an die RLB aus diesem Geschäft eingestellt, als Reaktion stellte die Bank das Geschäft glatt und kündigte eine Gegenklage über 66 Millionen Euro an. Ist diese bereits eingelangt?
Nein, wir wissen davon noch nichts. Die Bank behauptet nun einen Schaden von 66 Millionen Euro zu haben. Wir können dies aber nicht nachvollziehen. Es wäre zum Beispiel denkbar, dass die Bank bereits vor längerer Zeit das Risiko des Geschäftes zwischen ihr und Meryll-Lynch durch Gegengeschäfte abgesichert oder das Geschäft schon davor geschlossen hat. Vielleicht war ja ihr eigentlicher Schaden dadurch nur 5 Millionen Euro? Somit würde man von St. Pölten nun auch nur eine Art von „Wettgewinn“ fordern. Die Bank wird ihre eigenen Bücher offenlegen müssen. Bis dato liegt diese Gegenklage jedenfalls noch nicht am Tisch.

Zur Person
Rechtsanwalt Lukas Aigner ist bei „Kraft & Winternitz“ Experte für Kapitalmarkt-, Bank- und Versicherungsrecht. Er vertritt die Stadt St. Pölten im Zivilprozess gegen die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien (RLB). Seine Kanzlei betreut auch die Stadt Linz in ihrem Zivilstreit mit der BAWAG sowie die Stadt Bruck an der Leitha, welche sich nach einem Erfolg in erster Instanz vor Kurzem mit Raiffeisen verglich.

Unabhängig

Kolumne aus MFG, Juni-Ausgabe

Wenn die RLB die Stadt St. Pölten auf 66 Millionen Euro klagt, dann entspricht das 40 Prozent der städtischen Gesamt-Einnahmen im Jahr 2014. Es geht also nicht um Peanuts, wenn wir uns Ausgabe für Ausgabe am Rechtsstreit zwischen St. Pölten und der RLB abarbeiten – sondern um ein Thema, das den Gestaltungsspielraum St. Pöltner Kommunalpolitik in den nächsten Jahrzehnten beeinflussen wird. Auf politischer Ebene wird sich zeigen, ob die SPÖ trotz absoluter Mehrheit und Macht im Rathaus wieder das Vertrauen der Opposition (und sicher auch weiter Teile der Bevölkerung) in dieser Frage zurückgewinnen kann. Die teils geäußerten Vorwürfe wiegen schwer, eine unabhängige Prüfung durch die Justiz macht also Sinn. Vor allem wenn die SPÖ im Gemeinderat weiterhin kein eigenes Untersuchungsgremium zum Thema einsetzen will.
Und Martin Ogris? Sorgen seine medienwirksamen Aussagen in einem Rechtsstreit mit hohem öffentlichen Interesse dafür, dass man der Justiz mehr oder weniger Unabhängigkeit zutraut? Wie weit darf ein Richter zu Aspekten dieses Rechtsstreits im Rahmen einer öffentlichen Verhandlung kritisch Stellung beziehen? Darf er Banken und Politiker für ihr Handeln kritisieren – auch wenn er dabei vielleicht vorrangig eine politisch-moralische Ebene anspricht?
Ich erinnere mich nur an zwei Zuhörer im Saal, die nicht auf der Payroll einer der beiden Streitparteien stehen.  Als einer davon frage ich mich, wie man die eigene, subjektive Wahrheit korrekt rüberbringt, ohne sich ungewollt einer Seite dienlich zu erweisen. Ich weiß nicht, ob die Aussagen von Ogris „professionell“ waren, ob man das als Richter so sagen „darf“.  Aber seine Schelte galt – so wie ich sie im Kontext gehört und verstanden hatte – sicher nicht nur den St. Pöltnern allein. Er sprach nämlich von – einer Herde…

UNABHÄNGIG ODER DOCH BEFANGEN?

Na, wir wer‘n kan Richter brauchen,
weu wir ham a golden‘s Herz / Mir wer‘n
ollas übertauchen, und dann fohr‘ ma
himmelwärts.     „Alle Menschen san ma zwider“, Kurt Sowinetz

Einen Richter wird die Stadt St. Pölten schon brauchen, die Frage ist nur ob er Martin Ogris oder Roland Parzmaier heißt. Im Zivilprozess am Handelsgericht Wien fühlte sich die Stadt nämlich vom Richter beleidigt und lehnt ihn in Folge als befangen ab. Doch auch an der politischen Front der SWAP-Causa steht der nächste Wirbel an.

Doch bevor wir uns in die Untiefen der St. Pöltner Kommunalpolitik stürzen, zurück zur scheinbar geordneten Welt der Justiz am Wiener Handelsgericht. Dort prüft ein Ablehnungssenat den Antrag von Stadt-Anwalt Lukas Aigner auf Abberufung des Richters Martin Ogris, denn dieser habe in der letzten Tagsatzung Beweise vorzeitig gewürdigt und polemisch gegenüber der Klägerin, der Stadt St. Pölten, agiert. Stimmt der Senat dem Antrag von Aigner zu, so übernimmt Roland Parzmaier den Fall –  er stand im Rahmen der festen Geschäftsordnung am Gericht bereits als Ersatzrichter fest. Das Recht auf den eigenen Richter ist ja ebenso wie die Unabhängigkeit der Richter in ihrer Amtsausübung ein zentraler Gedanke in unserer Verfassung. Sollte der Senat den Antrag aber ablehnen und keine Befangenheit von Ogris erkennen, so kann Aigner dagegen vorm Oberlandesgericht Wien berufen. Bis in den Herbst dürfte ein Ergebnis jedenfalls vorliegen.

Ein Ablehnungsantrag zählt nicht mehr zu den tagtäglichen Stilmitteln der anwaltlichen Trickkiste, der Vorwurf der Befangenheit wiegt schwer und der Richtersenat wird wohl genau hinschauen, ob der Kollege wirklich abzuberufen ist. Raiffeisen-Anwalt Wolfgang Höller zog noch während Aigner den Ablehnungsantrag begründete kopfschüttelnd seinen Schluss in Richtung des Stadt-Anwalts: „Herr Kollege, Sie sind dabei den Fall zu verlieren und gehen jetzt auf den Richter los!“

Ja, da ging es schon ordentlich zur Sache am 6. Mai im 17. Stock der Marxergasse 1a in Wien, dem Sitz des Handelsgerichts. Über drei Stunden ging die Tagsatzung, immer wieder wurde über die bisher gewonnenen Erkenntnisse diskutiert. Welche Bedeutung es beispielsweise habe, dass sowohl Bürgermeister Stadler als auch der mittlerweile pensionierte Finanzchef Ernst Knoth vor Gericht ausgesagt hatten, dass sie sehr wohl das theoretische Risiko verstanden hätten, dass es „beim klagsanhängigen Geschäft die Möglichkeit gäbe an 67 Quartalen draufzuzahlen.“ Oder welche Rolle es spiele, dass das Geschäft schon bei Abschlusszeitpunkt einen negativen Barwert ausgewiesen habe, es also für die Stadt sehr nachteilig ausgestaltet gewesen sei, wie Aigner argumentierte. Mehrfach konnte man im Prozessverlauf sehen, dass Ogris manche Argumente von Aigner nicht teilt. Und es liegt wohl in der Natur des Martin Ogris, dass er sich für emotionale Diskussionen und pointierte Vergleiche nicht zu fein ist. Ob denn die Stadt beim Abschluss des Geschäftes nicht hätte wissen müssen, dass der Preis für die 1,5 Millionen Euro, die sie von der Bank erhält, ein beträchtliches Risiko sei? Ogris dazu: „Ich würde den Herrn Knoth ja gerne fragen, wer er denn damals geglaubt hat, dass der Idiot ist, der am anderen Ende die Rechnung dafür zahlt.“ Und zu Lukas Aigner meinte er nach Debatten über die Provisionshöhe der RLB: „Ich kann mir schon vorstellen, dass wir uns am Ende des Verfahrens darauf einigen, dass die Bank das Geschäft der Stadt zu teuer verkauft hat. Aber lassen wir den Vorwurf, dass die Bank die Stadt ‚hereingelegt’ hat.“

Ein paar Irre. Zum Eklat kam es, als die RLB vorbrachte, dass die Stadt zu einem früheren Zeitpunkt „politisch nicht mutig genug war, das Geschäft mit vier Millionen Euro Verlust zu schließen“. Hätte man das damals gemacht, säße man heute nicht vor einem Schaden von 66 Millionen Euro. Ogris hakte da ein: „Moralisch kriegen Sie das nicht weg, dass Sie diese Chance zum Ausstieg nicht genutzt haben.“ Ogris forderte neuerlich, dass sich Stadt und Bank im Sinne einer „Gesamtlösung“ einigen. An diesem Punkt schwangen auch vorangegangene Anspielungen der Diskussion mit, als etwa die Verantwortung von Politikern und Banken gegenüber den Bürgern und Steuerzahlern diskutiert wurden. Höller argumentierte im Sinne der RLB, dass es nicht angehe, dass St. Pölten mit einer Vielzahl derartiger Geschäfte gut verdient hätte und nun, wo eines derart schief gegangen ist, der Verlust sozusagen der Bank umgehängt werde. Ogris konnte sich da einen Hinweis auf die Kärnter Hypo nicht verkneifen und stellte auch die Rolle von Banken bei diesen Geschäften zur Diskussion. Dann kam sinngemäß der Satz, dass es nicht angehe, „dass ein paar Irre so lange auf Kosten der Steuerzahler herumfuhrwerken bis aus einer Mücke eine Herde Elefanten wird“.

Lukas Aigner bezog diesen Vorwurf auf seine Mandantin und begründet damit den Ablehnungsantrag. Zwar erklärte Ogris, dass er nicht nur die klagende Partei gemeint, sondern dass er sich auf das ganze Prozessthema bezogen hatte und somit auch die Bank angesprochen war – zu einer Verständigung kam es aber nicht.

Der Ablehnungssenat entscheidet nun in den nächsten Wochen, ob Ogris bleibt oder ob der Ersatzrichter übernimmt. Bei einem Richterwechsel beginnt das Verfahren von vorne, auch die neuerliche Befragung der bereits gehörten Zeugen ist grundsätzlich nötig. Denkbar wäre allerdings, dass beide Parteien der Verlesung der alten Protokolle zustimmen und so eine neuerliche Befragung umgangen werden könnte. Mehrkosten und Zeitverlust sind jedenfalls fix.

Die von der RLB bei der letzten Tagsatzung für „irgendwann“ angekündigte Gegenklage über 66 Millionen Euro ist bis Anfang Juni noch nicht eingebracht worden. Diesbezüglich im Verfahren vorgebrachte „Gesprächsbereitschaft“ dürfte sich wohl nur auf technische Aspekte des Verfahrens bezogen haben –  an aussichtsreiche Gespräche zur außergerichtlichen Streitbeilegung zwischen St. Pölten und der RLB glaubt niemand mehr.

Heißer Sommer. Auch auf politischer Ebene wird die Opposition für einen heißen Sommer sorgen. Am 30. Juni, so hört man aus dem Rathaus, sollen die Ergebnisse der zwei Parteiengespräche, bei denen auch externe Experten der beigezogenen Beraterfirma KPMG Präsentationen gehalten haben, vom Gemeinderat beschlossen werden – zuvor will man keine Details kommentieren. Angeblich sei es aber gar nicht um den klagsanhängigen SWAP mit der RLB gegangen, womit womöglich die laut NÖ-Gemeindeaufsicht nichtigen Barclays-Geschäfte Thema waren? Steht hier eine nachträgliche Genehmigung durch den Gemeinderat im Raum – und will die SPÖ dafür trotz ihrer absoluten Mehrheit womöglich die Opposition ins Boot holen? Und wenn ja, um welchen Preis?

Vorteil Stadler

Nach jahrelangem Streit mit dem Land NÖ zeichnet sich nun für die Stadt St. Pölten eine Reduktion des Standortbeitrages zur Finanzierung des Landesklinikums ab. Kann sich Bürgermeister Matthias Stadler schon bald über 60 Millionen Euro freuen?

Es ist ein langes Match, das Stadt und Land austragen. Doch nun hat Matthias Stadler wohl den Matchball in der Hand. Der Verfassungsgerichtshof hob jenen Paragraphen des Landesgesetzes auf, der den Standortvorteil für St. Pölten definiert. Kurz erklärt: Das Land NÖ betreibt die Landeskliniken und erhält von den Gemeinden dafür Beiträge. Diese sind einerseits von der Einwohnerzahl abhängig, andererseits werden eben auch sogenannte Standortbeiträge eingehoben. Diese sollen jene Vorteile abbilden, die Gemeinden dadurch entstehen, dass das Land in ihrem Gemeindegebiet ein Krankenhaus betreibt. Im Fall St. Pöltens war dieser Beitrag aber sieben Mal so hoch wie für andere Städte. Die St. Pöltner Gemeindebürger kamen Jahr für Jahr für mehr als die Hälfte der gesamten Mittel auf, die das Land als Standortvorteil von allen NÖ-Gemeinden einhob.

„Eine himmelschreiende Ungleichbehandlung durch den Landesgesetzgeber“, beklagte Matthias Stadler schon vor Jahren. Nun kann er sich mit dieser Argumentation auch auf die Sichtweise der Verfassungshüter stützen. Der neu festzusetzende Standortbeitrag dürfe nicht neuerlich St. Pölten gröblich benachteiligen, die seit Jänner 2006 zu viel bezahlten Beiträge belaufen sich auf über 60 Millionen Euro – auch davon will man nun natürlich einen großen Teil zurück.

Doch noch ist vieles unklar. Seit der Spruch des Gerichtshofs Anfang April bekannt wurde, gibt es wenig konkrete Ansagen. Im St. Pöltner Rathaus bestätigt man nur, dass die Gespräche zwischen Stadt und Land noch nicht abgeschlossen sind, weshalb Detailauskünfte nicht möglich wären. Jedoch gibt das Rathaus immerhin eine klare Zielsetzung vor: „Wir wollen zukünftig einen fairen Beitrag zur Krankenhausfinanzierung leisten und unser Geld zurück.“ Man sei zuversichtlich eine Einigung erzielen zu können. Andernfalls steht der Rechtsweg nach wie vor offen.

Und auch bei einer anderen Partie gibt es zumindest theoretisch noch einen prallgefüllten Topf an Gold für das Stadtbudget zu holen: Nach der Auflösung des sogenannten „Krankenanstalten-Zusammenarbeits-Fonds“ (kurz: KRAZAF) tat sich 1997 eine „Lücke“ auf – mehrere Gemeinden pochen seither auf ihr Recht und wollen geleistete Beiträge zurück. Mehr als 50 Millionen Euro sollen der Stadt aus ihrer Sicht zustehen. Die Gespräche mit dem zuständigen Gesundheitsministerium gestalten sich aber zäh, eine rasche Einigung scheint nicht in Sicht.

(Erschienen in der Juni-Ausgabe von MFG-Das Magazin.)

Wahl-Pflicht

Während sich andere bei Krimi-Serien vor dem TV entspannen, schalte ich derzeit nur auf Sender, die Politiker zeigen. Das ist nicht ganz normal, ich weiß. Zumindest nicht, wenn man 33 Jahre alt ist und nicht in irgendeiner Parteijugend oder Vorfeldorganisation sozialisiert wurde. Doch ich brauche weder Naheverhältnis noch Versorgungsjob, um mich für österreichische Innenpolitik zu interessieren. Und ich bin der Meinung, dass alle, die sich überhaupt nicht dafür interessieren, einen Schaden haben.

Man muss nicht jede Fernsehdiskussion verfolgen oder alle Tweets von Rudi Fußi und Armin Wolf faven. Auch muss man gar nicht von einer Partei überzeugt sein (oft reicht das geringste Übel). Aber man sollte sich doch bitte zumindest alle fünf Jahre eine meinung bilden, wie dieses Land geführt werden soll. Und da argumentiere ich jetzt gar nicht mit der Gnade, die wir täglich genießen, weil wir in dieses westlich geprägte, demokratische Land geboren wurden. Anderswo riskieren Menschen bekanntlich heute ihr Leben um überhaupt eine Wahl zu haben.

Ich argumentiere lieber damit, dass es einem doch nicht völlig egal sein kann, wie sich diese Gesellschaft in den nächsten Jahren entwickelt. Natürlich ändern Wahlen etwas, natürlich kann man als Bürger verlangen, dass Politiker auch in den Lauf der Dinge eingreifen. Welche Steuern will ich zahlen? Welche Bildung will ich für meine Kinder? Welche Pension erwarte ich mir im Alter? Ich bleibe dabei: Wer dazu keine Meinung hat, der hat einen Schaden.

PS: Johann Höfinger (ÖVP) und Anton Heinzl (SPÖ) waren im Regionalwahlkreis NÖ-Mitte „unsere“ Abgeordneten. Beide haben vor rund einem Jahr für das Abdrehen des U-Ausschusses zur Klärung von Korruptionsvorwürfen gestimmt.

Quelle: http://www.dasmfg.at, Ausgabe September 2013

Hoffen wir am besten auf ein Wunder.

Kommentar aus „MFG-Das Magazin“
Juni 2013, zum Themenbereich „Stadt St. Pölten versus Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien“
Quelle: http://issuu.com/mfg_das_magazin/docs/mfg0613_epaper/8

Auch wenn die Causa nicht neu und das Thema komplex ist, mit dem Streit um die Schuldenbewirtschaftung der Stadt St. Pölten sollten sich die Bürgerinnen und Bürger beschäftigen. Zum einen geht es um ihr Geld, zum anderen zeigt es hautnah – in der eigenen Gemeinde! – was Sache ist. Der Kabarettist Josef Hader scherzte: „Der Dumme schimpft auf das, was weit weg ist.“ Auf die bösen Bankmanager in der Wallstreet. Auf die fernen Politiker in Brüssel und Washington. Umso spannender ist der Blick in den eigenen Hinterhof.

DER PROZESS.
Martin Ogris ist Richter am Handelsgericht Wien. Er wird entscheiden, ob die Stadt St. Pölten oder die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien als strahlender Sieger aus der Klage hervorgeht. Bis wann und wie er entscheidet, weiß heute wohl noch nicht mal er selbst. Für Außenstehende bleibt er eine Blackbox, bekanntlich soll man sich ja nicht täuschen. Auch wenn er sich nicht sonderlich zu verbergen bemüht, dass er von den juristischen Feinheiten des Klägers nichts hält, so lassen sich davon wohl keine Hinweise ableiten, wie er die Causa formaljuristisch und inhaltlich beurteilt. Den springenden Punkt sagte er beiden Streitparteien zum Auftakt: „Sie haben sich also leider noch immer nicht geeinigt?“ Bei einem theoretisch ausstehenden Schaden von 80 Millionen Euro ein verständlicher Wunsch, zumal die Zeit und der Wechselkurs gegen alle Beteiligten arbeitet.
Die Argumentation der Stadt klingt im Großen und Ganzen logisch. Hätte man den wahren („toxischen“) Charakter des Geschäfts gekannt, man hätte es natürlich nicht abgeschlossen. Dass man das gar nicht hätte dürfen, wird auch der Bank angelastet, diese war ja über die Stadt-Spielregeln informiert. Selbstsicher kommt aber auch die Verteidigung der Bank: Wir haben nur das verkauft, was der Kunde wollte. Da könne ja jeder kommen.

DIE POLITIK.
Auch wenn das Schlagwort „Schuldenbewirtschaftung“ momentan nicht mehr en vogue ist: Natürlich haben Politiker die verdammte Pflicht, dass sie jene Schulden, die sie heute aufnehmen, um heutige Wähler glücklich zu machen, bitteschön so bewirtschaften, dass auch zukünftige Wähler möglichst wenig dafür zahlen müssen. Dabei darf man von diesen Politikern auch verlangen, dass sie das kleine 1×1 der Veranlagung zur Kenntnis nehmen: Hohe Rendite, hohes Risiko.
Eine hohe Upfront-Zahlung heute wird wohl „no-na-ned“ ein hohes Risiko in der Zukunft mit sich bringen. Das zu sagen, es transparent zu machen, das wäre ein Ausdruck politischer Redlichkeit. Vielleicht leitet die Causa ja in Sachen Transparenz einen neuen, wünschenswerten Standard in der St. Pöltner Verwaltung ein? Übrigens, auch wenn man mit einer absoluten Mehrheit ohnehin jeden Beschluss in ohnehin jedem Gremium durchbringt und bei lästigen Nachfragen selbstsicher auf die letzte Gemeinderatswahl und den angeblichen „Wählerwillen“ verweisen kann. Egal ob St. Pölten mit der Klage durchkommt, die politische Verantwortung ist ein eigenes Kapitel und schreit nach transparenten Antworten.
Doch bevor jetzt die Oppositionsparteien frohlocken und den absoluten Bürgermeister schon angezählt sehen: So einfach ist die Rechnung nicht. Weder konnte die ÖVP belegen, dass Bürgermeister und/oder Verwaltung tatsächlich falsch informiert hatten, noch konnten die heute so entsetzten Herrschaften in den letzten Jahren in den zuständigen Gremien die richtigen Fragen formulieren – dazu brauchte es öffentliche Verhandlungen am Handelsgericht Wien. Ich wage zu behaupten, wenn der parteifreie St. Pöltner Bürger in den letzten Jahrzehnten jemals bezahlte Gemeinde- und Stadträte der Opposition im St. Pöltner Gemeinderat gebraucht hat, dann bitteschön jetzt. Die Klärung der politischen Verantwortung wird wohl das dominierende To-Do bis zur nächsten Gemeinderatswahl sein. Dass die Realität zwischen Mandataren unterschiedlicher Parteien bei so relevanten Fragen derart auseinandergeht, ist schlicht unerträglich. Übrigens genauso wie die inhaltilche Abwesenheit zum Thema bei der FPÖ und den Grünen.

DAS DRAMA.
Bleibt abschließend, abgesehen von der Entscheidung am Gericht und dem politischen Infight, eine dritte Ebene. Da sind persönlich betroffene Menschen, denen bei einem möglichen Fehlverhalten schon dezent angedroht wird, man könnte sich ja an ihnen schadelos halten. Ein leitender Finanzbeamter, der sich seinen Ruhestand wohl anders vorgestellt hätte. Oder ein Bürgermeister am Karriereweg nach oben, der wohl froh sein wird, dass seine Parteikollegen im Land Salzburg oder der Stadt Linz zum gleichen Aufsatz einen noch massiveren Fetzen geschrieben haben – womit die überregionale Presse für diese Kandidaten derzeit noch mehr Aufmerksamkeit übrig hat als für den „kleinen Pfusch“ in St. Pölten. Und nicht zu vergessen natürlich uns Bürger. Die Finanzierung von Gemeinden wird in Zukunft nicht leichter. Haus(bank)gemachte Hypotheken durch „Klumpert-Geschäfte“ (© Richter Martin Ogris) sind dabei genauso verzichtbar wie parteipolitischer Hickhack. Somit hoffen wir am besten auf ein Wunder. Vielleicht nimmt dieses ja am Wiener Handelsgericht seinen Anfang? Oder setzt wer auf den St. Pöltner Gemeinderat?

Irrsinn

Für Aufregung sorgt derzeit eine Facebook-Initiative, die einen Kinder-Indoor-Spielplatz in St. Pölten fordert. Rund 2.000 Likes und entsprechende Medienberichte später, war die Politik wachgerufen. Die St. Pöltner ÖVP erinnerte sich an Betreibergespräche, die vor Jahren aus mangelndem Interesse der Stadt gescheitert sein sollen. Diese legte wiederum dar, dass frühere Gespräche primär aufgrund der damals geforderten Subvention gescheitert sind. Auch wenn uns die Diskussion dank Unterschriftslisten durch‘s Sommerloch begleiten wird: Geht‘s noch?

Da setzt sich auf Facebook sinngemäß der Gedanke in die Welt: „Nach wochenlangem Regen wären Jungfamilien über ein derartiges Angebot heil froh.“ Binnen Stunden wird daraus eine Kampagne, die Stadt habe gefälligst so ein Projekt anzugehen.

Es ist keine kommunale Aufgabe einen Indoorspielplatz zu betreiben! Und man komme mir jetzt nicht mit anderen (Problem-)Schuhpaaren „Aquacity“ oder „Paradies der Fantasie“. Eine Kommune kann nicht die nötige Kompetenz aufbringen, einen Indoorspielplatz zu betreiben. Bei aktiver Betriebsansiedelung wird man auch nicht Bau- und Gewerberecht dehnen, geschweige denn einen Investor und/oder Betreiber mit Steuergeld locken um so gebotene Wirtschaftlichkeit über Bord zu werfen. Es ist ganz einfach: Ist ein Indoorspielplatz in St. Pölten wirtschaftlich darstellbar, dann wird ein Unternehmer wohl sein eigenes Geld investieren.

Aber die Stadt aus populistischen Motiven in eine „aktive“ Rolle als (Mit-)Betreiber zu drängen ist: Irrsinn. Im letzten Wahlkampf war die Volkspartei da schon weiter – und fragte offensiv, ob man nicht zur nachhaltigen Ausrichtung des Stadtbudgets den ganzen Leistungskatalog der Kommune diskutieren müsste. Womit gerade jungen Familien mit Kindern langfristig wohl mehr geholfen wäre.