“Die Klage aus dem Wahlkampf draußen halten.”

SWAP-Klage, STP versus RLB, Verhandlung vom 5. November 2013

Am Handelsgericht Wien ging am 5. November die Beweisaufnahme im zivilgerichtlichen Verfahren weiter. Die Landeshautpstadt St. Pölten klagte die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien betreffend eines massiv in Schieflage geratenen Derivativgeschäfts (SWAP). MFG berichtete ausführlich hier.

Geladen waren zwei Verantwortungsträger der Bank. Deren Vorstandsdirektor Erwin Hameseder ließ sich entschuldigen. Seine Einvernahme ist nun für 28. Jänner 2014 geplant und sollte Einblicke geben, welchen Inhalt die mehrfachen Gespräche zwischen ihm (als obersten Entscheidungsträger seitens der Bank) und Bürgermeister Matthias Stadler hatten. In der mehrstündigen Einvernahme des zweiten Zeugen, des heutigen Chefs des Kommerzkundenbereichs der RLB, Reinhard KARL, wurde intensiv der Frage nachgegangen, ob Vergleichsverhandlungen seitens der Bank in Aussicht gestellt wurden.

Springender Punkt beim Rechtsstreit ist, ob eine Rückabwicklung des Geschäftes überhaupt noch möglich ist, oder ob derartige Ansprüche des Kunden (also der Stadt) bereits verjährt sind. Stadt und Bank haben bis dato in den Aussagen ihrer Vertreter völlig konträre Wahrnehmungen dazu widergegeben. Ungeachtet von der rein juristischen Frage, ob zivilrechtlich eine Anfechtung des Geschäftes gelingen wird, gibt die Beweisaufnahme jedenfalls beachtliche Einblicke in die Welt der Gemeindefinanzierung.

So führte Karl heute aus, dass die Gemeinderatswahl 2011 der Grund gewesen sei, weshalb man in St. Pölten nicht wollte, dass die Stadt eine Klage gegen die Raiffeisen Landesbank einbringt. Der Bürgermeister hätte sich im Wahlkampf unangenehme Fragen gefallen lassen müssen, weshalb eines der von ihm geschlossenen Geschäfte derart negativ performt und derart hohe Zahlungen nach sich zieht. Wobei auch für die Zinszahlungen eine Lösung gefunden wurde, so sei einerseits die RLB unter gewissen Voraussetzungen bereit gewesen, diese Zahlungen zinsfrei bis nach der Wahl zu stunden. Andererseits wurde der RLB zugetragen, dass die Stadt ihrerseits bereits bei der BAWAG eine “Absicherung” eingerichtet habe, so dass in den Budgets 2010 und 2011 das heute klagsanhängige Geschäft nicht transparent geworden wäre. Auch wenn die RLB heute wieder betonte, dass sie keinen Grund hatte einem “Verjährungsverzicht” zuzustimmen, so wurde dieser dann doch dem St. Pöltner Bürgermeister eingeräumt. Aber eben nicht, weil die eigene Rechtsposition plötzlich weniger überzeugend beurteilt worden wäre, sondern weil man selber nicht “Gegenstand des Gemeinderats-Wahlkampfes” sein wollte, wie Karl heute vor Gericht ausführte.

Auch wenn dies mit gutem Grund Martin Ogris, den zuständigen Richter am Handelsgericht, wenig bewegt, so gibt diese “Selbstverständlichkeit” der Politik und der “liefernden” Banken schon beachtliche Einblicke in die Gewohnheiten der kommunalen Finanzierung.

Zur Erinnerung: Das eingeklagte SWAP-Geschäft wurde abgeschlossen um Verluste aus älteren, schlecht laufenden Geschäften, abzusichern. Man hat also die Löcher alter, schlecht laufender Geschäfte gestopft, in dem man neue Geschäfte abgeschlossen hat. Mittels “Upfront-Zahlungen” erhielt die Gemeinde 1,5 Millionen Euro Cash. Der Preis dafür war ein Geschäft, das anhand einer Formel die Höhe des von der Stadt quartalsweise zu zahlenden Betrages ermittelt. Ausschlaggebend in dieser Formel ist der Kurs zwischen Euro und Schweizer-Franken.

Sollte die Klage als zulässig erachtet werden, in den Klagspunkten also keine Verjährung vorliegen, so wird sich die Bewertung des Geschäftes durch Gutachter wohl auf die Fragen reduzieren, wie das “schlechte” Geschäft konzipiert wurde, ob die Bank den Kunden umfassend über die Charakteristika des Geschäfts aufgeklärt hatte (bzw. musste). Doch bis dahin werden wohl noch einige Monate ins Land ziehen, mit einem raschen Teil-Urteil ist vorerst noch nicht zu rechnen.

Doch es bleiben auch andere Fragen offen. Wie hält es die Stadt mit der politischen Verantwortung? Holt man zu einem Befreiungsschlag aus und stimmt man der oppositionellen Forderung nach einem eigenen Ausschuss zu? Oder sitzt man das zivilrechtliche Verfahren aus und sieht erst dann weiter? Wie lange wird die St. Pöltner Causa noch von den prominenteren und teureren Causen Linz/BAWAG oder Salzburg überlagert? Raffen sich Stadt und Bank doch noch auf und versuchen einen Vergleich?

Die RLB brachte heute zum Ausdruck, dass sie keinesfalls einen Schritt auf die Stadt zu machen wird. Die Banker sind sich ihrer Sache sehr sicher. Bei der Befragung des Zeugen reitet der Anwalt der Stadt Lukas Aigner auf Details herum, spinnt hypothetische Fragen und bringt damit den Richter auf die Palme. Wobei auch hierin mehr Strategie stecken dürfte, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Schielt doch der Anwalt angeblich schon auf die nächste Instanz, und dort gäbe es dann kein neues Beweisverfahren. Das heißt jetzt muss alles protokolliert werden, was vielleicht später als Argument dienen könnte. Und wenn man oft genug fragt, dann kommt vielleicht noch eine Antwort raus, die passend scheint?

“Herr Anwalt, das haben jetzt sogar die Leute da ganz hinten in der letzten Reihe verstanden, worauf Sie hinaus wollen. Der Zeuge sagt, er weiß es nicht. Nehmen Sie das zur Kenntnis und hören Sie endlich auf so lange zu fragen, bis Sie eine Antwort bekommen, die Ihnen zu dem Erkenntnis des OGH passt, auf das sie abzielen.”

Richter Martin Ogris in Richtung Lukas Aigner (Anwalt der Stadt St. Pölten), während dieser Reinhard KARL (Vorstand RLB) befragt.

Am 28. Jänner 2014 sollen nun zwei Zeugen der klagenden Partei gehört werden. Ein Berater und ein ehemaliger Rechtsanwalt. Auch hier wird es vorrangig um die Frage gehen, ob von einer Verjährung auszugehen ist. Mit einem raschen Ende des Rechtsstreits ist vorerst nicht zu rechnen. Solange wird auch die politische “Paralyse” in St. Pölten anhalten. Während die Opposition zwar ob der Geschäfte schäumt und bis heute keine Transparenz der Verantwortlichen sieht, will sich zugleich niemand mit Rufen nach Verantwortung aus dem Fenster lehnen. Keiner will als “Nestbeschmutzer” identifiziert werden. Noch sitzt der Feind — offiziell — in der bösen Bankzentrale, die ein böses Geschäft gezimmert und mit fetter Marge an die unwissende Stadt verkauft hat. Es bleibt spannend.