ÖVP: Stadler soll Behördenauflagen überdenken

Mit dem Herbst beginnt die Schulball-Saison. Alle Jahre wieder wird in St. Pölten über mögliche und unmögliche Locations für diese Schülerbälle diskutiert. Die ÖVP lädt nun gar zum Schulball-Gipfel und hat auch gleich eine pragmatische Lösung bei der Hand.

Die Locations „Cityhotel“ und „FH St. Pölten“ würden wegen der behördlichen Auflagen nicht als Location für Schülerbälle dienen. Also solle Bürgermeister Matthias Stadler diese Auflagen… ja, was eigentlich? Aufruf zum Amtsmissbrauch? Oder Erkenntnis der Stadt-ÖVP, dass die Magistratsauflagen unnötig sind?

Hier ein Screenshot der Presse-Aussendung der ÖVP St. Pölten von Florian Krumböck vom 10. Oktober 2014:

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Stadt/Land-Vergleich: mehr als 35 Mio.

Die Vergleichsverhandlungen zwischen St. Pölten und dem Land NÖ spülen unter anderem 35 Millionen Euro in das Stadtbudget – der Gestaltungsspielraum für die Stadtpolitik vergrößert sich spürbar. Vorangegangen war der politischen Einigung ein jahrelanger Streit um den St. Pöltner Beitrag zur Krankenhaus-Finanzierung, nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes hatte sich die Rechtsposition der Stadt zuletzt deutlich verbessert. (Siehe dazu MFG-Artikel aus der Juni-Ausgabe.)

In früheren Stellungnahmen wurde der Streitwert mit rund 60 Millionen Euro beziffert, in Folge der Einigung erhält St. Pölten nun 35 Millionen Euro an zu viel bezahlten Beiträgen der Vorjahre retour. Zudem wurde der neue Standortbeitrag mit 3,3 Millionen Euro jährlich angesetzt – somit knapp 7 Millionen unter dem früheren (zu hohen) Wert. Landesrat Karl Wilfing hat auch Landesunterstützung beim Thema „Öffentlicher Verkehr“ zugesagt, ebenso wurde eine Landesförderung in Höhe von insgesamt 4 Millionen Euro für noch näher zu definierende, gemeinsame Projekte beschlossen.

Aus dem Büro von Landesrat Wilfing heißt es dazu, dass die Vergleichsgespräche vor einem sehr schwierigen finanziellen Hintergrund stattgefunden haben. Beide Seiten haben sich jedoch eine rasche und gemeinsame Lösung als Ziel gesetzt, das Gesprächsklima sei immer konstruktiv und sehr gut gewesen. Da der Verfassungsgerichtshof einen Vergleich der Streitparteien vorgeschlagen hat, sei auch stets in diesem Sinne verhandelt worden.

St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler will den Vergleich nutzen, um den Schuldenstand der Stadt zu senken und somit die Grundlage für einen nachhaltig ausgeglichenen Haushalt mit Spielräumen für die Zukunft schaffen. Den guten Beziehungen zum Land habe die gerichtliche Durchsetzung des Rechtsstandpunktes keinen Abbruch getan. Der eingeschlagene Budgetkonsolidierungspfad werde trotzdem umgesetzt, „wir fahren aber kein Crash-Szenario und machen kein zu-Tode-Sparen“, so Stadler.

Mit dem Vergleich scheinen Stadt und Land zufrieden. Zum einen weil ein jahrelanger Streit beigelegt ist, zum anderen weil der Verfassungsgerichtshof aufgetragen hatte, dass man sich vergleichen möge und für die Zukunft geeignete Kriterien zur Festsetzung des Standortbeitrages definieren möge. Vor diesem Hintergrund scheint das Verhandlungsergebnis trotz des kolportierten Streitwerts von 60 Millionen Euro für beide Seiten vertretbar.

Die formalen Beschlüsse im Gemeinderat und Landtag sollen rasch gefasst werden, am 11. Juli tagt der St. Pöltner Gemeinderat, am 15. Juli soll ein Beschluss der NÖ Landesregierung erfolgen. Noch im August wird vor dem Verfassungsgerichtshof wohl auch der gerichtliche Vergleich formell abgeschlossen werden.

St. Pöltens ÖVP-Obmann Matthias Adl betont, dass „das Ergebnis unter den gegebenen Umständen wohl das beste war, was man für St. Pölten rausholen konnte.“ Auch die Leistung der St. Pöltner Beamten und der Einsatz von Bürgermeister Stadler seien anzuerkennen. Der Beschluss das Land NÖ zu klagen, sei damals kein leichter Entschluss gewesen, im Rückblick war er jedoch die richtige Entscheidung, die damals auch mit den Stimmen der ÖVP beschlossen wurde, wie Adl anmerkt. Auch die ÖVP will den gewonnenen Spielraum zum Schuldenabbauen nutzen – um Spielräume für die Zukunft zu schaffen.

Ungewohnte Eintracht zwischen St. Pöltens SPÖ und ÖVP, die zumindest bis zum morgigen Gemeinderat halten könnte. Dann geht es um den Rechnungsabschluss 2013 – dem die Opposition wohl nicht zustimmen wird.

EDIT:
Doch warum gibt sich St. Pölten mit „nur“ 35 Millionen Euro zufrieden, wenn der Verfassungsgerichtshof (VfGH) einer Klage doch gute Chancen eingeräumt hätte und der Streitwert bei 60 Millionen lag?
St. Pöltens Finanzdirektor Thomas Wolfsberger führt dazu aus, dass bei gescheiterten Vergleichsgesprächen die Stadt zwar wohl vom VfGH Recht bekommen hätte. Das Land hätte dann den gesamten Betrag der zu hohen Standortbeiträge an die Stadt refundieren müssen. In Folge jedoch wäre natürlich ein adaptiertes Landesgesetz rückwirkend beschlossen worden, welches einen neuen, niedrigeren Standortbeitrag festgesetzt hätte. St. Pölten hätte diese neuen Beiträge erst Recht wieder rückwirkend ans Land überweisen müssen. Somit wäre man wohl auf jenen Wert gekommen, der nun im Rahmen des Vergleiches zwischen den Streitparteien ausverhandelt wurde.

Unabhängig

Kolumne aus MFG, Juni-Ausgabe

Wenn die RLB die Stadt St. Pölten auf 66 Millionen Euro klagt, dann entspricht das 40 Prozent der städtischen Gesamt-Einnahmen im Jahr 2014. Es geht also nicht um Peanuts, wenn wir uns Ausgabe für Ausgabe am Rechtsstreit zwischen St. Pölten und der RLB abarbeiten – sondern um ein Thema, das den Gestaltungsspielraum St. Pöltner Kommunalpolitik in den nächsten Jahrzehnten beeinflussen wird. Auf politischer Ebene wird sich zeigen, ob die SPÖ trotz absoluter Mehrheit und Macht im Rathaus wieder das Vertrauen der Opposition (und sicher auch weiter Teile der Bevölkerung) in dieser Frage zurückgewinnen kann. Die teils geäußerten Vorwürfe wiegen schwer, eine unabhängige Prüfung durch die Justiz macht also Sinn. Vor allem wenn die SPÖ im Gemeinderat weiterhin kein eigenes Untersuchungsgremium zum Thema einsetzen will.
Und Martin Ogris? Sorgen seine medienwirksamen Aussagen in einem Rechtsstreit mit hohem öffentlichen Interesse dafür, dass man der Justiz mehr oder weniger Unabhängigkeit zutraut? Wie weit darf ein Richter zu Aspekten dieses Rechtsstreits im Rahmen einer öffentlichen Verhandlung kritisch Stellung beziehen? Darf er Banken und Politiker für ihr Handeln kritisieren – auch wenn er dabei vielleicht vorrangig eine politisch-moralische Ebene anspricht?
Ich erinnere mich nur an zwei Zuhörer im Saal, die nicht auf der Payroll einer der beiden Streitparteien stehen.  Als einer davon frage ich mich, wie man die eigene, subjektive Wahrheit korrekt rüberbringt, ohne sich ungewollt einer Seite dienlich zu erweisen. Ich weiß nicht, ob die Aussagen von Ogris „professionell“ waren, ob man das als Richter so sagen „darf“.  Aber seine Schelte galt – so wie ich sie im Kontext gehört und verstanden hatte – sicher nicht nur den St. Pöltnern allein. Er sprach nämlich von – einer Herde…

Von Irren, die herumfuhrwerken.

Handelsgericht Wien, Marxergasse 1A.Am 6. Mai 2014 überschlugen sich die Ereignisse am Handelsgericht Wien, zumindest wenn es um die Zukunft des St. Pöltner Stadtbudgets geht. Am Zivilrechtsweg streitet die Stadt mit der Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien (RLB) über ein SWAP-Geschäft, der theoretische Schaden aus dem strittigen Geschäft war schon mal bei 80 Millionen Euro. Befeuert durch ein Schreiben der NÖ Gemeindeaufsicht, die ein anderes Geschäft als nicht gültig zustandgekommen sah, entschied der St. Pöltner Gemeinderat am 31. März, angeführt von der absoluten SPÖ-Mehrheit, den Zahlungsverpflichtungen aus dem Geschäft nicht mehr nachzukommen. Die Bank solle die Stadt halt klagen, immerhin gehe man davon aus, dass das Geschäft nichtig sei, führten Bürgermeister Matthias Stadler und der Anwalt der Stadt, Lukas Aigner, dazu aus.

Heute wurde durch die Ausführungen von Wolfgang Höller, Vertreter der RLB, vor Gericht bekannt, dass die Bank der Stadt am 26. März 2014, also kurz nach dem Bekanntwerden der neuen Strategie der Stadt in diesem Prozess, ein schriftliches Angebot gemacht hatte. Die Bank hätte eine „einvernehmliche Schließung“ des Geschäftes vorgeschlagen, vorbehaltlich des Ausgangs des Verfahrens am Handelsgericht. St. Pölten habe auf das Schreiben nicht mal reagiert, so Höller.

Die Nicht-Reaktion begründete Lukas Aigner damit, dass es für St. Pölten sowieso keinen Sinn mache, ein Geschäft einvernehmlich zu schließen, wovon man überzeut sei, dass es gar nicht korrekt zustande gekommen sei. Der Grundsatzbeschluss des St. Pöltner Gemeinderates, der seit 2003 als Grundlage für die Geschäftsabschlüsse des Bürgermeisters gedient hat, war nämlich laut Feststellung der NÖ Gemeindeaufsicht ungültig. Demnach sei auch das klagsanhängige Geschäft gar nicht korrekt zustandgekommen.

Handelsgericht-Wien2_MüllnerMichael_webWährend die erste geladene Zeugin vor dem Gerichtssaal wartete, wurde im Saal drei Stunden lang über die bisherigen Ergebnisse des Verfahrens diskutiert. Dabei ging es häufig um die bisherigen Aussagen der geladenen Zeugen und die Versuche, die Funktionsweise des SWAPs in vergleichbare, lebensnahe Situationen umzulegen. Besonders strittig dabei, war das Geschäft soweit transparent, als dass die Stadt – konkret Finanzleiter Ernst Knoth und Bürgermeister Matthias Stadler – die Risiken nachvollziehen konnten. Auch hier drehten sich die Diskussionen wie in den früheren Prozesstagen im Kreis. Richter Martin Ogris hielt der klagenden Partei mehrmals die Zeugenaussage von Knoth und Stadler vor, wonach sie schon verstanden hätten, dass es theoretisch das Risiko gab, dass die Stadt bei allen 67 Zahlungsterminen auch „draufzahlen“ könnte. Über die wahre Natur des Geschäftes, der Aufklärungspflichten der Bank, der angeblichen oder tatsächlichen Unkenntnis des Kunden, den negativen Barwert zu Geschäftsabschluss, den zweifelhaft ermittelten Marktwert zum Zeitpunkt X wurde heftig diskutiert.

Wolfgang Höller argumentierte, der fehlerhafte Grundsatzbeschluss des Gemeinderates komme aus juristischer Sicht einer Anscheinvollmacht gleich. Der Gemeinderat hätte der Bank gegenüber den Anschein erweckt, dass mit diesem Beschluss der Bürgermeister die Geschäfte schließen dürfe. Auch habe die Stadt diesen Standpunkt bis zum Vorliegen der Gemeindeaufsichts-Stellungnahme nachdrücklich vertreten. Zudem stehe auch in der Stellungnahme der Aufsichtsbehörde, dass daraus eben keine zivilrechtlchen Rückschlüsse zu ziehen seien, da sie sich bei der Beurteilung auf öffentlich-rechtliche Erwägungen beschränkt habe. Eine spätere Ladung der Leiterin der NÖ Gemeindeaufsicht sowie der zuständigen Sachbearbeiter stand im Raum. Von einer Nichtigkeit des Geschäftes sei aus Sicht der Bank keinesfalls auszugehen.

Die Stimmung war, wie schon bei früheren Tagsatzungen, energisch, teilweise vielleicht auch aufgekratzt. Vergleiche wurden bemüht, über Detailfragen wurde energisch diskutiert. Immer wieder wurden von allen Seiten auch politische Aspekte eingebracht. So deutete Höller an, dass die Stadt „politisch nicht mutig genug war“, das Geschäft 2008 zu schließen – als ein Minus von 4 Millionen Euro anstand und man die stadteigenen Risikolimits bereits überschritten hatte. Aigner hielt dagegen, dass derartige Geschäfte heute deshalb nicht mehr angeboten würden, ja die zugehörige Abteilung schon geschlossen wurde, weil sich die Kunden heute nicht mehr derart „über den Tisch ziehen lassen“ würden.

Handelsgericht-Wien1_MüllnerMichael_webHöller trieb die Diskussion voran, indem er meinte, die Stadt hätte Einnahmen aus derartigen Geschäften in ihren Rechnungsabschlüssen jahrelang ausgewiesen, nun, wo es um Verluste geht, wolle man diese aber „der Bank umhängen“. Was vor dem Hintergrund jüngster Fälle von „Vergemeinschaftungen“ von Bankverlusten, durchaus für Heiterkeit sorgte. Richter Ogris ließ gegenüber Aigner anklingen, dass er am Ende des Verfahrens vielleicht schon mit ihm dahingehend einig sein könnte, dass die Bank zu hohe Prämien aufgeschlagen habe. Aber das Argument, die Stadt sei von der Bank „hereingelegt“ worden, das sei ihm vor dem Hintergrund der Zeugenaussagen von Knoth und Stadler nicht schlüssig. Ogris versuchte auszuloten, wo die Vorstellung der Stadt liegen könnte, sich zu einigen, unter dem Aspekt, dass die Bank beim Abschluss zu hohe Provisionen verlangt habe. Vage deutete Aigner an, dass man die zu hohen Provisionen für Risikoabsicherungen verwenden hätte können und dann heute ein Schaden bei nur vier bis acht Millionen Euro liegen könnte.

Für die Bank teilte Wolfgang Höller mit, man habe beschlossen „demnächst“ mittels Widerklage die Stadt St. Pölten auf 66 Millionen Euro zu klagen. Das sei der Schaden, der nun der Bank entstehe, weil sich St. Pölten weigere, seine Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Man sei aber offen für Gespräche mit der Stadt. Ein durchaus neuer Aspekt, sah sich die Bank bisher doch schlicht „in einer sehr guten Rechtsposition“, weshalb man auch keinerlei Verhandlungen zu einer außergerichtlichen Lösung führen bräuchte.

Martin Ogris griff den Ball auf und forderte beide Seiten vehement auf: „Machen Sie doch eine Gesamtlösung!“ Wiederholt wies er darauf hin, dass es im Rückblick natürlich gescheiter gewesen wäre, wenn St. Pölten im Jänner 2008, bei Anschlagen der Risikolimits, bei Vorliegen von Marktwert-Berechnungen, wonach das Geschäft mit 4 Millionen Euro im Minus sei, einen Schlussstrich gezogen hätte und das Geschäft geschlossen hätte. Was sind 4 Millionen Euro Verlust – vor dem Hintergrund des aktuellen Prozessrisikos? Dann sagte er sinngemäß, dass er aus Sicht des Steuerzahlers überhaupt nicht verstehe, dass ein paar wahnsinnige Irre da über Jahre herumfuhrwerken – und im Endeffekt aus einem Minus von 4 Millionen ein Minus von 66 Millionen Euro wird, für das Bürger nun aufkommen muss.

Das war Lukas Aigner offenbar zu viel. Er fühlte sich persönlich und seine Mandantin, die Stadt St. Pölten, angesprochen. Er könne sich vom Richter nicht als „Irren“ bezeichnen lassen, zudem habe der Richter im Vorfeld mehrfach subjektiv und polemisch argumentiert und Beweise bereits im laufenden Verfahren vorzeitig gewürdigt. Er stellte demnach einen Ablehnungsantrag gegen Richter Ogris.

Sichtlich überrascht versuchte Ogris zu erklären, wie er diesen Ausspruch gemeint hat. Dass es ihm nicht um konkrete Personen ging, sondern allgemein um Politiker bzw. Streitparteien, die aus Sicht des Bürgers gefälligst auf das Steuergeld achten sollen. Höller brachte sich mehrfach ein, dass er als beklagte Partei mindestens so viel angesprochen war, wie Aigner als klagende Partei. Er fragte mehrmals, ob es nicht jetzt vielleicht klug sei, dass man „persönlich“ rede, bevor man hier weitermache. Aus meiner Sicht nochmals der Versuch, einen Schritt in Richtung zur von Ogris eingeforderte „Einigung“ zu setzen – wie ernst dieser Versuch auch immer gemeint gewesen sein mag, er wurde nicht mal aufgegriffen.

Nun kann man natürlich über die Prozessführung des Richters eine Meinung vertreten, man kann seine Äußerungen polemisch, sarkastisch, ironisch, pointiert oder sympathisch finden. Zieht man alle Personen ab, die im Dienste der klagenden oder beklagten Partei anwesend waren, dann bleiben wenige über. Ich sehe mich als einen davon. Von Zivilprozessen, dem zulässigen „wording“ und der Zivilprozessordnung hab ich zu wenig Ahnung, um die Aussage des Richters im Hinblick auf den Antrag von Aigner zu werten.

Als Beobachter denke ich mir nur: Warum hat denn keiner den Höller gefragt, ob die Bank bereit wäre sich zu vergleichen und wenn ja wie? Wäre ein Vergleich aus Sicht der Stadt überhaupt gewollt, politisch machbar? Warum erfährt die Öffentlichkeit relevante Entwicklungen oft erst im Rahmen einer öffentlichen Verhandlung, aber nicht von den Prozessparteien? Was bedeutet ein neuer Richter für den Fortschritt des Verfahrens?

Um 15:45 Uhr am 6. Mai 2014 stellte Lukas Aigner einen Ablehnungsantrag, nach drei Stunden wurde die heutige Sitzung um 16:10 Uhr geschlossen. Gehört wurden null von zwei geladene Zeugen. Netto 7 Minuten hat Martin Ogris in sein Diktiergerät diktiert und damit zu Protokoll genommen. Am Handelsgericht Wien wird wohl in den nächsten Wochen entschieden, wer den Fall in Zukunft weiterführt.

Schon bald nach dem Prozessende informierte die Stadt St. Pölten in einer Aussendung über den Ablehnungsantrag und begründet dies damit, dass „der Richter mehrfach Aussagen getroffen hat, die auf eine Befangenheit schließen lassen.“ Weiters sei „bezeichnend für die eigentümliche Prozessführung durch Richter Ogris auch, dass er wiederholt mit den Worten ‚Publikums-Joker‘ die Prozesszuhörer fragte, wie sie seine Aussagen verstanden hätten.“ Weiters sandte die Stadt aus: „Dass Richter Martin Ogris sich nach seinen Äußerungen selbst betroffen zeigte, äußerte sich auch darin, dass er die im Saal anwesenden Journalisten bat, ihn nicht zu zitieren.“

Stimmt, Ogris meinte, dass wir das ja nicht schreiben sollen. Im Scherz. Ich habe den Ausspruch, wie schon vorangegangene von ihm in diese Richtung, nicht als ernstgemeinte Handlungsaufforderung gesehen, schon gar nicht als eine, die von einem „Schuldbewußtsein“ getragen war. Meiner Meinung nach war das eine sarkastische Bemerkung, ein humorvoller Scherz, wir sollen sinngemäß „keinen Blödsinn schreiben“. Nie würde ich mich freilich über eine selbstzerknirrschte Bitte des armen Richters frech hinwegsetzen. (Sarkasmus, again!)

Sowohl die ironische Frage nach einem „Publikumsjoker“, als auch die Feststellung, man möge ihn bitte ja nicht zitieren, waren für mich nicht ernst gemeinte Wünsche oder gar Aufforderungen. Welchen Sinn hätte denn ein öffentliches Verfahren, wenn man dann nur im Sinne einer Partei oder des Richters berichten dürfte? Für die Öffentlichkeit keinen – und in diese Fall ist diese eben relevant, weil es nicht um den Streit zwischen Herrn Mustermann und seiner Bank geht, sondern um Steuergelder von Bürgern. Da darf man schon fragen, wie das Geschäft zustandekam, wer daran verdient hat, wer es hätte besser wissen müssen und wer heute bereit ist, im Sinne der Bürger eine konstruktive Lösung mitzutragen. Das Recht diese Fragen zu stellen – und die unterschiedlichen Antworten dazu wiederzugeben – steht hoffentlich außer Streit.

Bitte warten.

Im 17. Stock des Wiener Handelsgerichts findet heute die Fortsetzung der STP-SWAP-Causa statt. Die Erfahrung zeigt, dass rund um diese Prozesstermine in St. Pöltens politischer „Causa Prima“ auch abseits der zivilrechtlichen Ebene oft neue Entwicklungen stattfinden.

Auf der politischen Bühne war es in den letzten Wochen ruhig. Zwar hatte der St. Pöltner Gemeinderat in seiner Sitzung vom 31. März die Abhaltung von de-eskalierenden Parteigesprächen beschlossen, stattgefunden haben diese bis heute nicht. Auch eine gemeinsame Terminsuche der St. Pöltner Fraktionen hat bis dato nicht stattgefunden. Zuletzt kündigte Bürgermeister Matthias Stadler an, nach Ostern mit der FPÖ-Fraktion ein Vorgespräch zu führen. Die FPÖ hatte den Antrag eingebracht.

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Matthias Adl und Peter Krammer, beide ÖVP St. Pölten, kündigten am 21. März Post an die Staatsanwaltschaft St. Pölten an.

Die ÖVP feilt unterdessen noch an der Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft, die sie am 21. März bereits angekündigt hatte. Im Zuge der Aufregung rund um die Feststellung der NÖ Gemeindeaufsicht, dass ein Grundsatzbeschluss des Gemeinderates falsch sei, sah die St. Pöltner ÖVP das Vertrauen in den Bürgermeister massiv gestört und kündigte ein Schreiben an die Staatsanwaltschaft an. Seit längerem fragte sich beispielsweise ÖVP-Klubobmann Peter Krammer, ob das Verhalten des Bürgermeisters nicht Amtsmissbrauch und Untreue darstelle. Weder bei der St. Pöltner Staatsanwaltschaft, noch bei der „Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption“ sind entsprechende Sachverhaltsdarstellungen eingegangen, gegen den St. Pöltner Bürgermeister läuft kein Ermittlungsverfahren.

Im Wiener Handelsgericht ist heute die Vernehmung von zwei Zeugen geplant. Inhaltlich wird es dabei wieder um die Frage des Verjährungsverzichts gehen, den die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien ihrem Kunden, der Stadt St. Pölten, zugstanden hatte. Durch eine verspätete Zahlung der Stadt, sei der Verzicht jedoch hinfällig geworden, weshalb die Bank bestreitet, dass die Stadt das Geschäft überhaupt noch einklagen kann. Auch ist strittig, ob im Vorfeld dieses Verjährungsverzichts die Stadt mit der Bank „Vergleichsgespräche“ geführt hat, oder ob die Bank der Stadt immer gesagt hat, dass sie an keinem Vergleich interessiert sei.

Parteiengespräche, Ungesprächigkeit und andere Gedanken zum STP-SWAP.

Nach den heftigen Gefechten in der Sitzung des St. Pöltner Gemeinderates vom 31. März 2014 scheint nun etwas Ruhe im Rathaus eingekehrt zu sein. Ein FPÖ-Antrag zur Anberaumung von Parteiengesprächen wurde ja einstimmig angenommen, stattgefunden haben die Gespräche aber noch nicht, auch ein Termin steht noch nicht fest.

FPÖ-Klubobmann Klaus Otzelberger freut sich dennoch, dass der Antrag seines Klubs von allen Fraktionen angenommen wurde. Bedeuten würde dieser nämlich, dass in „Parteiengesprächen die Fakten zuerst mal mündlich zu klären und noch offene Dinge und Fragen zu besprechen“ sind. Und Otzelberger weiter:

„Danach werden den zuständigen Ausschüssen, wie Kontroll-, Finanz- und Rechtsausschuss, jene Unterlagen und Fakten offengelegt, die bei den Parteigesprächen noch unklar geblieben sind. Diese absolute Transparenz bringt dann die Wahrheit ans Licht und alle Parteien haben totalen Einblick in alle Stellungnahmen, Unterlagen etc.“ – Klaus Otzelberger (FPÖ-Klubobmann)

Die ÖVP bleibt bei Ihrer Forderung nach einem eigens einzurichtenden Gemeinderatsausschuss zur „Untersuchung der Finanzgeschäft seit 2003“. Man sei auch noch nicht kontaktiert worden um einen gemeinsamen Termin für die beschlossenen Parteiengespräche zu suchen.

Den geplanten Fahrplan teilte uns Bürgermeister Matthias Stadler am 11. April jedoch schon mal mit:

„Ich habe mit der FPÖ – sie hat ja den Antrag für das Parteiengespräch im GR eingebracht – vereinbart, dass wir nach Ostern ein Vorgespräch führen. Danach wird es das beschlossene Parteiengespräch geben.“ – Matthias Stadler (SPÖ-Bürgermeister)

Ob da wohl alle mit den gleichen Erwartungen an dieses Parteiengespräch gehen werden? Wir werden sehen.

Weiterhin schweigsam gibt man sich unterdessen bei der beklagten Partei, der Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien (RLB). Die Einstellung der Zahlungen von St. Pölten an die RLB aus dem eingeklagten Geschäft will man nicht kommentieren, weiterhin sehe man sich unverändert in einer sehr guten „Rechtsposition“ was das Verfahren am Wiener Handelsgericht betrifft.

Und die Bank gibt zu bedenken, dass man mit St. Pölten weiterhin eine Kundenbeziehung habe. Es gelte darum für die Bank das Bankgeheimnis. Würde man den Streit bzw. das Geschäft kommentieren, würde man sich damit auch dem Vorwurf aussetzen, dass man als Bank das Bankgeheimnis nicht einhalte.

Hat also die RLB auf die Einstellung der Zahlungen durch St. Pölten bereits reagiert? Seitens der Stadt St. Pölten wird diese Frage nicht beantwortet – ich könne ja bei der Bank selber nachfragen, wird mir empfohlen.

In der Gerüchtküche brodelt es jedenfalls. Die Einstellung der Zahlungen habe die Bank unter Zugzwang gestellt, argumentieren die anderen. Die Einstellung der Zahlung sei ein zusätzliches Risiko für die Stadt, befürchten die anderen. Grundlage der Einstellung der Zahlungen ist die Rechtsauffassung aus Sicht von St. Pölten, dass das eingeklagte Geschäft gar nicht zustande gekommen ist.

Folgt das Gericht dieser Sichtweise, so würde wohl der Vertrag komplett angefochten werden. Nur das Gericht kann dies feststellen und den Vertrag rückwirkend aufheben – rechtlich gesehen hätte es den Vertrag dann gar nicht gegeben, daraus geleistete Zahlungen wären rückabzuwickeln. Ob sich diese Rechsposition durchsetzt?

Die Stadt argumentiert, dass die Bank es war, die damals – es muss wohl 2003 oder früher gewesen sein – die nötige Expertise mitgebracht habe. Bürgermeister Matthias Stadler merkte mehrfach an, dass es seinen Informationen zufolge, die Bank war, die an der Formulierung des Grundsatzbeschlusses des Gemeinderates mitgearbeitet habe. Demnach hätte auch die Bank wissen müssen, ob laut dem rechtlichen Rahmen (dem NÖ Stadtrechtsorganisationsgesetzes, kurz: NÖ STROG) der Grundsatzbeschluss in der Form überhaupt rechtlich gedeckt sei.

Ist er nämlich nicht, wie die NÖ Gemeindeaufsicht erst im März festgestellt hatte. Eine Feststellung, die auch das St. Pöltner Rathaus überrascht hatte. Auch Matthias Stadler bestätigte in der letzten Gemeinderatssitzung, dass er erst mit dem Schreiben der Gemeindeaufsicht von dieser Sichtweise erfahren habe. Man nutzte also die Gunst der Stunde und stellte die Zahlungen ein.

Viel wurde seitdem zwischen der St. Pöltner ÖVP und SPÖ darüber gestritten, ob der Bürgermeister nun „mehr als 200 Geschäfte“ rechtswidrig und „am Gemeinderat vorbei“ abgeschlossen habe (wie die ÖVP vorwirft). Es liegt jedoch auf der Hand, dass Stadler als Bürgermeister nur getan hat, was ihm der Grundsatzbeschluss des Gemeinderates an Möglichkeiten eingeräumt hat. Der Fehler liegt also nicht daran, dass der Bürgermeister etwas getan hat, was er laut Gemeinderatsbeschluss nicht durfte, sondern dass er einen Gemeinderatsbeschluss umgesetzt hat, der an sich vom Gemeinderat rechtswidrig beschlossen wurde (da der Grundsatzbeschluss Kompetenzen des Gemeinderates an den Bürgermeister übergab).

Gibt es dafür ähnliche Rechtssprechungen als Anhaltspunkt? Nur bedingt. Etwa wenn ein Bürgermeister ein Geschäft mit einem Dritten schließt, für das der Bürgermeister nicht berechtigt war. In so einem Fall sieht das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) besondere Schutzvorkehrungen für die Gemeinden vor – der Vertragspartner der Gemeinde habe sich darüber zu informieren, was nach dem Gesetz nötig ist um mit der Gemeinde das Geschäft abzuschließen. Der Gesetzgeber will so verhindern, dass die Gemeinde ausbaden muss, wenn ein Organ ohne Berechtigung die Gemeinde verpflichten würde.

In unserem Fall liegt das Problem aber anders. Der St. Pöltner Gemeinderatsbeschluss erweckte den Anschein, dass eben der Bürgermeister berechtigt sei, dieses Geschäft abzuschließen. Sonst hätten wohl weder Matthias Stadler noch sein Amtsvorgänger Willi Gruber hunderte Geschäfte auf Grundlage eben dieses Grundsatzbeschlusses abgeschlossen. Wem das nun juristisch „auf den Kopf fallen wird“, das wird wohl erst der Gerichtsweg zeigen.

Doch vielleicht erfüllen die zwei Streitparteien Martin Ogris, dem Richter am Wiener Handelsgericht, ja vielleicht doch noch einen bereits geäußerten Wunsch? Vielleicht einigen sich die beiden Streitparteien ja doch noch auf einen außergerichtlichen Vergleich? Wobei, nein. Wer würde sich auf einen Vergleich einigen wollen, wenn er meint, das vermeintliche „Ass“ im Ärmel zu haben: die Möglichkeit, den unliebsamen Vertrag vom Richter für nichtig erklären zu lassen?

Knapp 60 Millionen für St. Pölten?

geldzAm 4. April 2014 wurde bekannt, dass der Verfassungsgerichtshof mit seiner Feststellung vom 11. März 2014 erkannt hat, dass das entsprechende Landesgesetz verfassungswidrig ist, welches die übermäßig hohen Zahlungen der Stadt zur Finanzierung des Krankenhauses vorsehen.

Für St. Pölten könnte diese Entscheidung der Durchbruch im Gerichtsstreit zwischen Stadt St. Pölten und Land NÖ zur Krankenanstalten-Finanzierung sein. Dabei geht es um die strittige Höhe, die St. Pölten jährlich zur Finanzierung des Landesklinikums in St. Pölten an das Land zahlen muss.

Erhält St. Pölten schon bald knapp 60 Millionen Euro vom Land zurück – wegen zu hoher Zahlungen aus dieser Krankenhaus-Finanzierung? Siehe dazu meinen MFG-Artikel vom November 2013. Die Auswirkungen der Entscheidung auf das Gerichtsverfahren zwischen St. Pölten und dem Land NÖ lassen sich noch nicht mit Sicherheit einschätzen, jedoch scheint ein großer Schritt aus aus Sicht der Stadt St. Pölten gelungen.

In einer ersten Reaktion stellte Bürgermeister Matthias Stadler fest, dass durch diese Entscheidung die eigene Rechtsposition bestätigt wurde. Er wendet sich an die Landesverantwortlichen: „Dass wir nun dieses Geld wieder zurück haben wollen, ist wohl mehr als verständlich!“

Der Rechtsanwalt der Stadt, Christian F. Schneider, skizzierte in einer Aussendung der Stadt die weitere Vorgehensweise: „Das Gesetzesprüfungsverfahren des Verfassungsgerichtshofes ist bei uns – wie erwartet – sehr erfreulich ausgegangen. Sofern das Land NÖ der Stadt die Sonderfinanzierungsbeiträge nicht zuvor freiwillig refundiert, muss sich der Verfassungsgerichtshof mit dem Klagebegehren auf Rückzahlung der vom Land NÖ einbehaltenen Sonderfinanzierungsbeiträge weiter befassen. Auf der Basis des vorliegenden Gerichtshoferkenntnisses erwarten wir auch hier eine positive Entscheidung für die Stadt.“

Bürgermeister Stadler ergänzt in dieser Aussendung: „Wir haben über eine zu lange Phase zu viel bezahlt! Die bloße Gewissheit, Recht bekommen zu haben, reicht dieses Mal nicht aus. Ich zweifle jedoch keine Sekunde daran, dass die von der Stadt eingesetzten Finanzmittel wieder in die Stadtkassa zum Wohle der St. Pöltner Bevölkerung zurückfließen werden. Alles andere wäre eine Enttäuschung und kaum verständlich.“

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St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler vor dem Landesklinikum St. Pölten (Medienservice St. Pölten / Jäger)

Auszüge aus der Entscheidung des VFGH (PDF):

Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten im Gesetzesprüfungsverfahren nicht zerstreut werden.
[…]
Dies schließt es zwar keineswegs aus, St. Pölten und die übrigen Standortgemeinden an den Aufwendungen für das jeweils an ihrem Standort befindliche Landeskrankenhaus angemessen zu beteiligen, setzt aber voraus, dass dies nach einem Maßstab geschieht, der in einem Sachzusammenhang mit diesen Aufwendungen und der Leistungsfähigkeit der jeweiligen Gemeinden steht und die willkürliche Bevorzugung oder Benachteiligung einer Gemeinde vermeidet (vgl. VfSlg. 14.262/1995). – Aus der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (G 89/2013-13)

 

„Wir sollten alle Freunde sein.“ Der St. Pöltner Gemeinderat ist sich darin nicht so einig.

Am Montag, 31. März 2014 wäre die nächste Zahlung aus dem klagsanhängigen SWAP-Geschäft fällig gewesen, rund 900.000 Euro hat die Stadt aber nicht an die RLB überwiesen. (Warum?) Grund dafür ist ein an diesem Tag gefasster Beschluss des Gemeinderates, die Zahlungen an die RLB einzustellen. Meine betont subjektiven Wahrnehmungen über drei Stunden als Zuhörer im St. Pöltner Gemeinderat.

Zum Auftakt diskutieren die Gemeinderäte einen dringlichen Antrag der FPÖ, argumentiert von Stadtrat Hermann Nonner. Es solle vereinbart werden, dass unverzüglich Parteiengespräche zum Thema SWAP-Klage aufgenommen werden. Nein, das muss der St. Pöltner Bürger nicht verstehen. Man kann das nur einfach so für sich stehen lassen, dass sich die gewählten Gemeindevertreter nun immerhin nach Monaten des Streitens (nicht nur vor Gericht, auch untereinander) eben erst nun darauf einigen, dass sie sich darüber austauschen. Ein österreichischer Ansatz: „Red ma drüber.“

Jetzt würde SPÖ-Bürgermeister Matthias Stadler (oder seine Fraktion) natürlich wieder anmerken, dass ja eh ständig und überhaupt informiert wird. Und der St. Pöltner ÖVP-Klubobmann Peter Krammer würde sinngemäß einwenden, dass „die Roten“ eben nur zugeben, was „die Schwarzen“ ihnen belegen könnten. Kennen wir alles – seit Monaten. Aber dennoch möchte ich das nochmals festhalten: da ist seit Monaten diese Mega-Causa am Dampfen und nach all der Aufregung – die ja durchaus auch substantiell ist, wie die völlige Strategieänderung der RLB-Klage im Verlauf des Abends zeigen wird – einigt man sich darauf, dass man sich halt darüber unterhalten wird. Keine Auflagen wann und wie oft bzw. wie konkret. Und natürlich kein Hinweis darauf, dass diese Gespräche öffentlich zu führen sein müssten. Also nichts, was der Bürgermeister nicht ohnehin schon längst hätte machen können, denn für Parteiengespräche braucht man nun wirklich keinen Gemeinderatsbeschluss.

Um das FPÖ-Kapitel gleich abzuschließen: Heidi Rosskopf ist wieder da – sie stellt auch brav Fragen (wenn es um Kostenüberschreitungen beim geplanten Park & Ride Deck geht). Den Knüller liefert sie aber bei ihrer Wortmeldung zum SWAP-Streit:

„Wir sollten alle Freunde sein. Es gibt zu viel Parteipolitik in der Lokalpolitik.“- Heidi Rosskopf (FPÖ)

Ja, naiv, keine Frage. Aber irgendwie auch am Kern der Sache, irgendwie. Peter Sommerauer ist drei Stunden lang nur physisch anwesend, keine nennenswerte Regung oder gar Wortmeldung. Und Klaus Otzelberger sagt zur SWAP-Sache das, was er seit gefühlten Ewigkeiten sagt: „Aber ich habe seit 2009 die SPÖ-Mehrheitsfraktion darauf hingewiesen, dass sie aus diesen Geschäften sofort aussteigen soll. Damals bin ich verhöhnt worden, ich habe das aber alles schwarz auf weiß in den Medien belegt, dass ich das schon damals gefordert habe und uns seit damals viel Geld erspart geblieben wäre…“ – Der am Thema Interessierte kann dieses „Gsatzl“ schon mitreden. Bleibt also Hermann Nonner in seinem grotesken Versuch den „elder statesman“ zu machen und einen einstimmigen Antrag für Gespräche „durchzusetzen“. Dem Bürgermeister kann man zu dieser FPÖ-Opposition nur gratulieren.

Nun also zur ÖVP: Die möchte ja einen eigenen Gemeinderatsausschuss einrichten lassen, der die diversen Spekulationsgeschäfte untersucht. Argumentiert wird das mit der mangelnden Kontroll- und Untersuchungsmöglichkeit in den bestehenden Ausschüssen, worüber sich natürlich trefflich streiten lässt. Die SPÖ argumentiert weiterhin, dass die bestehenden Gremien ausreichend Kontrollmöglichkeiten vorsehen. An dieser Front ist also nichts Neues zu erfahren – außer, dass die FPÖ mit der SPÖ gegen so einen Ausschuss stimmt. Nur ÖVP und Grüne wollen ihn.

Die Grünen. Julia Schneider ist physisch anwesend und versteht sich gut mit ihrer Grünen-Kollegin Nicole Buschenreiter – diese macht auch die ganze Arbeit der Grünen „Fraktion“, wenn sie etwa auf den Spuren ihrer Mutter wandelnd den Herrschaften von ÖVP und SPÖ etwas die Leviten liest. So wenig durchdacht und unprofessionell manche Aktion der Grünen Tag für Tag daher kommt, immerhin im Gemeinderat trifft Buschenreiter den Nagel durchaus auf den Kopf, etwa wenn sie die Frage wieder präzisiert, ob denn wir, der Gemeinderat, tatsächlich nichts vom angeblichen Risiko dieser hochspekulativen Finanzgeschäfte gewußt haben, die ihr Vorredner Robert Laimer zuvor dramatisch schilderte (kurz: schuld ist die „Hochfinanz“, die ÖVP sei ein „politischer Geisterfahrer“). Und sie sorgt für etwas Erheiterung und Menschlichkeit an ihrem „Brückenkopf“ zwischen FPÖ und SPÖ, rein Sitzplatz-technisch gesehen, was an diesem Abend durchaus auch einen Stellenwert hat.

Denn das Klima ist eigentlich eine Frechheit. Das sag ich jetzt als Bürger, der eben aus journalistischen Antrieb heraus das Thema der SWAP-Problematik sehr intensiv verfolgt, und sich darum als Vorabendprogramm diese Diskussion gibt.

Da ist zum einen der Bürgermeister, dem die ÖVP vorwirft, er habe über 200 Mal das Gesetz gebrochen und Geschäfte am Gemeinderat vorbeigeschwindelt. Kein Wunder, dass Stadler bei dieser Interpretation das sprichwörtliche Häferl übergeht. Ja, die Gemeindeaufsicht sagt, dass ein geprüftes Geschäft (und wohl in Folge zahlreiche andere) nicht korrekt zustandegekommen sind. Aber dass der Bürgermeister damit sprachlich vereinfacht zum Gesetzesbrecher gemacht wird – oder zum Geschäfte-am-Gemeinderat-vorbei-Schummler, das ist halt dann doch wieder ein ganz weit gespannter Bogen der dummen Parteipolitik, der ja gar nicht nötig wäre – wenn man das Problem einfach auf sachlicher Ebene belassen würde.

Stadler hat Recht, wenn er sich gegen diese Interpretation wehrt. Denn dass die Gemeindeaufsicht im Zuge der angesprochenen Prüfung drauf kommt, dass die Grundsatz-Richtlinie einfach falsch ist, das hatte nun wirklich niemand kommen gesehen. Zumindest nach den bisher bekannten Informationen. Auch Stadler betonte im Rahmen der Gemeinderatssitzung, dass er bis zum Schreiben der Gemeindeaufsicht keine Kenntnis darüber hatte, dass dieser Grundsatzbeschluss womöglich nicht rechtsgültig sei. Das ist nun aber ein springender Punkt. Die Vorwürfe der ÖVP kommen – zumindest in der verkürzten Form – so rüber, als hätte hier jemand absichtlich, wissentlich, Geschäfte „am Gemeinderat vorbei“ beschlossen. Dabei war es viel mehr der Fehler des Gemeinderats, dass er überhaupt so einen Beschluss gefasst hat. Und das hatte wohl weniger politisch motivierte Gründe, als vielmehr pragmatische. Es war eben in dieser Form einfach praktisch, die Geschäfte so zu schließen. Und dass die heute beklagte Bank damals angeblich aktiv in die Ausarbeitung des Beschlusses eingebunden war, das wird vielleicht vor Gericht noch näher gewürdigt und in Relation gesetzt.

Jedenfalls hat der Gemeinderat die Verantwortung an den Bürgermeister und mit ihm an die Verwaltung, den Magistrat, abgeschoben. Sollte sich im Verlauf der weiteren Diskussion zeigen, dass Stadler oder andere im Rathaus schon länger wußten, dass der Grundsatzbeschluss nicht dem gesetzlichen Rahmen entspricht, so kann man ihm das massiv vorwerfen. Bis dahin sollte man aber einfach von einem Systemversagen ausgehen. Auf juristischer Ebene bei der Ausarbeitung des Grundsatzbeschlusses und politisch – bei allen Fraktionen, die zugestimmt hatten (wohl auch ohne echte Möglichkeit die Rechtmäßigkeit des Beschlusses zu hinterfragen).

Gut auch, dass die ÖVP den von ihr vermuteten strafrechtlichen Aspekt der ganzen Geschichte nun bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hat. Auch wenn es für den Bürgermeister unangenehm ist, wenn ihm der eigene Gemeinderat zum Teil in dieser schwierigen Diskussion derart angreift – gerade die strafrechtliche Komponente der Diskussion ist für den Bürger da draußen unerträglich – und muss darum besser heute also morgen durch unabhängige Behörden geklärt werden.

Doch es ist nicht die ÖVP, der man nun die Verantwortung für die SWAP-Streiterein umhängen kann. Zum Argument, dass ja eh alles immer vollständig kommuniziert werde, genügt die Erinnerung an die Anfänge der SWAP-Klage. Bevor nicht in öffentlicher Verhandlung erste Details zum Verfahren bekannt wurden, wurde um die Causa der Mantel des Schweigens gehüllt. Erst seit sich Journalisten (und Politiker) beim zivilrechtlichen Verfahren ein eigenes Bild machen, wird von der Stadt durchaus professionell kommuniziert. Diese Flucht nach vorne hat der Position der Stadt auch gut getan, wurde doch immer klarer, warum sie das Geschäft eingeklagt hat und immer unverständlicher, warum sich Raiffeisen zu dieser Causa überhaupt nicht öffentlich äußert.

Doch zurück in den St. Pöltner Gemeinderat. Da holt die ÖVP also jetzt natürlich sehr weit aus, wohl aber auch als Ergebnis der monatelangen Vorgeschichte. Da wurde nämlich nicht nur der Bürgermeister von der ÖVP angegriffen, auch die SPÖ hielt sich nicht zurück und warf der ÖVP regelmäßig vor, dass sie mit der Bank im Boot sitzt. An sich schon kein schöner Vorwurf, so interpretiert die ÖVP das auch als Vorwurf die Interessen der Stadt nicht zu vertreten – was an sich auch Amtsmissbrauch wäre, sind doch alle Mandatare vereidigt, eben den Interessen der Stadt zu dienen. Dann noch die emotionale Ebene, die Vorwürfe, die Anfeindungen, in beide Richtung, schon klar. Und raus kommt dann so was:

„Der ÖVP ist die Stadt völlig wurscht! Zwei schwarze Schlümpfe patzen die Landeshauptstadt an.“ – Gemeinderat Andreas Fiala (SPÖ)

Gänzlich unbeeindruckt von seiner Vorrednerin Heidi Rosskopf („Wir sollten Freunde sein.“) bringt Andreas Fiala damit die Präpotenz der absoluten Mehrheit auf den Punkt. Auch wenn man in der Sache noch so uneins ist, auch wenn die Methoden und die Wortwahl der Opposition noch so unnötig erscheinen möge, aber der St. Pöltner ÖVP pauschal vorzuwerfen, dass ihr die Stadt wurscht sei und sie die Landeshauptstadt anpatzt, das zeigt das Problem im Kern: Die SPÖ kapiert nicht mehr den Unterschied zwischen Bürgermeister und Stadt.

Ist ja auch schwierig. Immerhin ist der Bürgermeister zwar vom Gemeinderat (als Politiker) gewählt, aber zugleich vertritt er die Stadt. Doch wenn ich auf politischer Ebene streite, dann kann man doch auch den Bürgermeister angreifen ohne als Generalverräter an der Stadt durchs Dorf getrieben zu werden? Im SPÖ-Universum ist das schwierig, wohl auch weil der normale Bürger nach Jahrzehnten der SPÖ-Alleinregierung „das Rathaus“ mit der SPÖ gleichsetzt. (So wie „das Land“ auch gemeinhin als durchwegs „Schwarze“ Einheit gesehen wird.)

Jedenfalls kommt es dann zur Abstimmung des Tagesordnungspunkts 8 samt vorgelagerter Diskussion. Soll die Stadt also nun sinngemäß sagen: „Öha, die Gemeindeaufsicht sagt, das Geschäft ist gar nicht gültig zustandegekommen, somit gibt’s kein Geschäft, somit gibt’s auch keine Verpflichtung unsererseits, dass wir daraus Zahlungen an die Bank leisten, haben wir eh schon immer gewußt!“ Der Antrag will das so. Lukas Aigner, der Rechtsanwalt der Stadt, habe diese Argumentation in einem vorbereitenden Meeting mit allen Fraktionen auch schlüssig erklärt. Stadler präzisiert: „Würden wir jetzt nicht die Zahlungen einstellen, so könnte man uns das auch zum Nachteil auslegen. Dass wir stillschweigend weiter gezahlt und damit die Zahlungsverpflichtung und das Geschäft akzeptiert hätten.“ Juristen halt.

Peter Krammer führt für die ÖVP aus, dass seiner Fraktion die Grundlagen zur Beurteilung des Antrags fehlen – es gebe schlichtweg keine Vertrauensbasis in dieser heiklen Frage mehr. Nach einigen Zwischenrufen dann die Überraschung, die ÖVP-Mandatare packen vorbereitete Taferl aus, stellen sie auf den Tisch und ziehen aus. Ein Auszug, den die SPÖ-Mandatare mit einem Bahö in schlechter Stammtischmanier zur Kenntnis nehmen.

BildOhne ÖVP wird weiter diskutiert. Nonner und die FPÖ wollen dem Antrag zustimmen, weil es „vielleicht die letzte Chance für die Stadt ist“. Wohl eine weitere verzichtbare Wortmeldung, zumindest wenn man möchte, dass der Gemeinderat geschlossen auftritt und die Rechtsposition der Stadt vertritt. Wobei die Expertise der FPÖ bei diesem Thema ja nicht unbedingt den Ausschlag geben wird.

Die Grünen, also Nicole Buschenreiter, verstehen den Auszug der ÖVP. (Ich übrigens bis heute nicht, weil Vertrauensbruch und mangelnde Informationen – das Argument ist ja nicht neu – da könnte man ja auch ablehnen oder sich enthalten, aber was versteh schon ich von der Dramaturgie im hohen Gemeinderat.) Doch Buschenreiter bringt das Problem wieder geschickt auf den Punkt. Die Argumentation des Stadt-Anwalts sei ihr schlüssig gewesen, aber eine Abstimmung darüber maße sie sich nicht an. Sie könne nicht sagen, welcher Schaden eintritt, wenn die Stadt jetzt die Zahlungen einstellt. Und es stößt ihr auf, dass man damit quasi „Selbstjustiz“ zeigt und das Risiko für die Stadt nochmals erhöhe. Die Enthaltung der Grünen begründet sie so:

„Ihre Sicherheit hätte ich gerne, Herr Bürgermeister!“ – Nicole Buschenreiter.

Der Antrag auf Einstellung der Zahlungen wird mit den Stimmen der SPÖ und der FPÖ angenommen. Die Grünen und Heidi Rosskopf (FPÖ) enthalten sich. Die ÖVP war nicht im Saal.

Abschließende Bemerkung:
Natürlich gibt es abseits der SWAP-Klage noch andere Dinge zu tun. So wurde im Gemeinderat debattiert, ob man die höheren Kosten für das in Bau befindliche Park & Ride Deck beim Bahnhof akzeptieren solle. Die Kosten des städtischen Anteils steigen um 1,8 Millionen Euro – Grund dafür ist, dass die ursprüngliche Kostenschätzung als Grundlage des Gemeinderatsbeschlusses falsch war. Die neuen, höheren Zahlen stimmen. Angefacht wird die Diskussion von Mario Burger (ÖVP), der seine berufliche Expertise dabei einbringt und die Gründe der Kostensteigerung hinterfragt. Es wird im Plenum durchaus konstruktiv diskutiert. Bleibt die Frage, was machen die Herrschaften eigentlich in den Auschüssen, in denen diese Anträge im Vorfeld vorbereitet werden? Sollte man dort nicht diskutieren, Fachmeinungen hören und etwaige Anregungen der anderen Fraktionen aufgreifen? Denn eines darf ich allen gewählten Mandataren sagen: Die Resonanz, die so manche Streiterei auf Kasperltheaterniveau in der Öffentlichkeit findet, ist minimal. Sie rechtfertigt sicher nicht den Gehalt, den Mandatare Monat für Monat überwiesen bekommen. Dafür würden wir uns schon etwas mehr Sacharbeit und etwas weniger Polemik und Präpotenz erwarten. Immerhin geht es um unser Geld. Und unsere Stadt!


Nachtrag vom 1. April 2014, 16:45 Uhr. Andreas Fiala hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich sein Schlümpfe-Zitat offenbar akkustisch nicht vollständig verstanden hatte. Es ging im Original nämlich so:

„Zwei schwarze Schlümpfe patzen den ‚Hulk Hogan‘ der Landeshauptstadt (unseren Bürgermeister) an, aber das ist der Öffentlichkeit ohnehin egal!“

Das hab ich so in der Tat nicht gehört, schade. Matthias „Hulk Hogan“ Stadler hätte ich mir gemerkt. Superhelden könnten wir in St. Pöltens Lokalpolitik nämlich momentan brauchen.

„Diesen Zuständen setzen wir jetzt ein Ende.“

St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) erhöht im Streit rund um SWAP 707843 den Einsatz. Die mit 31. März 2014 fällige Zahlung aus dem klagsanhängigen Geschäft von rund 900.000 Euro werde nicht überwiesen. Der Ball liegt nun bei der Bank. Auch auf der politischen Ebene stehen die Zeichen auf Showdown.

Gemeinsam mit Lukas Aigner (dem Rechtsanwalt, der die Stadt St. Pölten am Handelsgericht Wien im Streit mit der Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien, RLB,  vertritt) trat Stadler am 24. März 2014 vor die Presse. Seine Ausführungen begann er mit persönlichen Worten zu den jüngsten Vorwürfen der St. Pöltner ÖVP. Diese wolle ihn „anpatzen“, Stadler sehe eine „moralische Linie jetzt überschritten“. Was war passiert?

Im Juni 2012 schloss die Stadt ein Finanzgeschäft mit der Barclays Bank. Laut Stadt wurde damit das Ziel verfolgt, Risiko aus der städtischen Veranlagungsstrategie zu nehmen. Am 26. Juni dieses Jahres trat eine Novellierung des NÖ Stadtrechtsorganisationsgesetz (STROG) in Kraft, die Landesgesetzgebung hatte die Spielregeln im Hinblick auf derartige Geschäftsabschlüsse verschärft. Im September 2013 wollte St. Pöltens ÖVP-Klubobmann Peter Krammer in einer schriftlichen Anfrage von der NÖ Gemeindeaufsicht wissen, ob das Geschäft korrekt zustandegekommen sei. Strittig war dabei vor allem der Zeitpunkt des Geschäftsschlusses.

Im Zuge der Prüfung stellte die NÖ Gemeindeaufsicht nunmehr am 17. März 2014 fest, dass das Geschäft zwar noch vor dem Inkraftreten der Novellierung zustandegekommen sei, dass aber der Grundsatzbeschluss vom 30. Jänner 2006, der den Bürgermeister ermächtigte, derartige Finanzgeschäft zu schließen, an sich nicht rechtskonform sei. Die „Vermögensverschiebung“ in Folge des Geschäftes liege über einer im Gesetz definierten Wertgrenze, demnach sei eben dafür der Gemeinderat zuständig. Vereinfacht gesagt, würde der Grundsatzbeschluss Kompetenzen des Gemeinderates auf den Bürgermeister übertragen – ein No-Go aus Sicht der Landesverfassung. Ein Grundsatzbeschluss, dem damals übrigens alle Parteien zugestimmt hatten und den auch bis dato offenbar die erfahrenen Rathausjuristen als unproblematisch angesehen hatten.

Auch wenn die Gemeindeaufsicht nur das angefragte Geschäft mit der Barclays Bank geprüft hat, so ergeben sich aus dieser Feststellung weitreichende Konsequenzen.

Zum einen will die ÖVP darin einen „Rechtsbruch“ des Bürgermeisters erkennen, dieser habe „mehr als 200 Mal rechtswidrig spekuliert, Geschäfte am Gemeinderat vorbeigeschwindelt und St. Pölten ein hohes finanzielles Risiko aufgebürdet“, wie Peter Kramme in Richtung Stadler ausholt. Eine Sachverhaltsdarstellung sei an die Staatsanwaltschaft St. Pölten übergeben worden, die ÖVP hofft auf eine rasche Klärung, ob dem Bürgermeister Amtsmissbrauch oder Untreue vorzuwerfen ist und stellt schon mögliche Regressforderungen in den Raum.

Bürgermeister Stadler kontert damit, dass er (wie sein Vorgänger) nur die Vorgaben des (einstimmigen) Beschlusses des Gemeinderates angewandt hat – was man einem Bürgermeister ja auch schwer vorwerfen könne. Er sieht sich aus den Detailerkenntnis der Gemeindeaufsicht in seinem Handeln bestätigt, auch wenn er feststellt, dass „die Richtlinie laut Gemeindeaufsicht nicht rechtskonform“ war. Diese Feststellung möchte er nun im Zivilprozess gegen die Raiffeisenbank nutzen.

Schon bei Klagseinbringung argumentierte die Stadt, dass das Geschäft nicht gültig zustandegekommen sei, da ein Geschäft dieser Art von der Gemeindeaufsicht genehmigt hätte werden müssen. Darum hätte sich damals praktischerweise auch die Bank kümmern müssen. Wahr ist, dass das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) besonders Schutzvorschriften für Gemeinden vorsieht. Dass aber die Bank überhaupt eine Parteistellung hätte um sich bei der NÖ Gemeindeaufsicht um eine „Genehmigung“ eines Geschäftes mit der Statutarstadt St. Pölten zu bemühen, das ist den Fachleuten in der Landesverwaltung neu. Auch das STROG sah damals keine explizite Prüfpflicht für derartige Geschäfte vor. Die Würdigung dieser Frage obliegt somit in erster Instanz Richter Martin Ogris am Wiener Handelsgericht, die nächste Verhandlung ist für 6. Mai 2014 geplant.

Bis dahin dürften noch einige Schriftstücke in dieser Causa bei Richter Ogris einlangen. Stadler kündigte nämlich bei dieser Pressekonferenz auch die zweite Konsequenz der Feststellung der Gemeindeaufsicht an. Er werde ab sofort die Zahlungen an die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien (RLB) einstellen, die nächste Rate von rund 9 Millionen Euro sei am 31. März 2014 fällig. Stattdessen werde der am selben Tag im Gemeinderat diese neue „Strategie“ beschlossen, der Finanzanschuss habe bereits grünes Licht gegeben.

Bestärkt sieht sich Stadler auch durch Gutachten, welche die Stadt eingeholt habe und welche das klagsanhängige Geschäft als „hinsichtlich des damit verbundenen Risikos aktuell nicht mehr tragbar“ bezeichnen. Zudem sei der Währungskurs des Schweizer Frankens günstiger als noch vor einiger Zeit, weshalb sich bei einer möglichen „Schließung“ des Geschäftes durch die RLB nun nur ein theoretischer Schaden von 69 Millionen Euro ergebe – der Schaden war schon mal über 100 Millionen gelegen. Zudem habe Reinhard Karl, Vorstandsdirektor der RLB, bei seiner Einvernahme im Rechtsstreit am Handelsgericht Wien ausgesagt, dass es nie ernstgemeinte Vergleichsgespräche aus Sicht der RLB gegeben habe. Stadler dazu: „Die RLB hat offenbar jahrelang nur zum Schein mit uns über eine vergleichsweise Bereinigung des Problems verhandelt. Diesen Zuständen setzen wir jetzt ein Ende.“

Auch Lukas Aigner sieht in der Feststellung der Gemeindeordnung eine Stärkung der „Rechtsposition der Stadt St. Pölten“ und betont, dass es keinen Sinn mache für ein Geschäft zu zahlen, das rechtswidrig zustandegekommen sei. Also Einstellung der Zahlung. Besser man lässt sich von der RLB klagen, als man müsse selber von der RLB Zahlungen einklagen – sofern man vor Gericht Recht bekommt. „Der Ball liegt nun bei der Bank“, meint Aigner.

Neben der politischen Diskussion rund um die STP-SWAP-Causa tritt nun wohl in den nächsten Wochen auch der zivilrechtliche Streit wieder stärker in den Fokus. Ob sich mögliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft St. Pölten auf den Fortschritt der Verhandlung am Handelsgericht auswirken werden ist derzeit noch unklar.

Auf der Ebene der Gemeindepolitik scheinen nun aber die Fronten verhärteter denn je, eine gemeinsame Linie der gewählten Parteien im St. Pöltner Gemeinderat scheint in weiter Ferne.


ANMERKUNG vom 26.03.2014, 15:20 Uhr: Silvia Buschenreiter, ehemalige St. Pöltner Grünen-Chefin, hat mich auf folgendes Protokoll des Gemeinderates hingewiesen:

Protokoll der Sitzung des Gemeinderats vom 30. Jänner 2006: Abstimmung Punkt 6 der Tagesordnung – Richtlinien für den Einsatz von Derivativgeschäften / Neufassung: Der Gemeinderats stimmt dem Antrag mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FSP, bei Gegenstimmen der Grünen, zu.

Demnach ist der Antrag nicht einstimmig beschlossen worden. Ich nehme das gerne zur Kenntnis und danke für den Hinweis!


ANMERKUNG vom 27.03.2014, 14:30 Uhr: Bürgermeister Matthias Stadler hat mir ausrichten lassen, dass meine Darstellung zur Frage der fraglichen Genehmigung des Geschäfts durch die Gemeindeaufsicht nicht ganz richtig sei. Es sei vielmehr so gewesen, dass die RLB der Stadt explizit gesagt habe, dass sie diese Art von Geschäften mit der Gemeindeaufsicht abgeklärt habe und sich die Stadt darauf verlassen habe. Ich nehme dies gerne zur Kenntnis und bedanke mich für den Hinweis!

Gültig — oder nicht?

Die NÖ Gemeindeaufsicht stellt fest, St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) hätte ein Derivativgeschäft gar nicht abschließen dürfen — sondern dafür einen Gemeinderatsbeschluss benötigt. Ist das nun eine Ohrfeige für den Bürgermeister — oder ein Ass im Ärmel der Stadt gegen Raiffeisen?

Am 17. März 2014 antwortete die NÖ Gemeindeaufsicht an den St. Pöltner Klubchef Peter Krammer. Die oppositionelle ÖVP im St. Pöltner Rathaus hatte dem SPÖ-Bürgermeister vorgeworfen, ein Derivativgeschäft mit der Barclays Bank ohne ausreichender Befugnis abgeschlossen zu haben.

In der Reaktion der Gemeindeaufsicht lässt die Behörde keinen Zweifel daran, dass sie die Argumentation der Stadt nicht teilt und der Ansicht ist, dass dieses Geschäft vom Gemeinderat hätte abgeschlossen werden müssen. Eine nachträgliche Beschlussfassung des Stadtparlaments sei nötig um den Vertrag zu “sanieren”.

Lässt sich diese Einzelfallprüfung auch auf alle anderen Geschäfte umlegen, die der Bürgermeister “alleine” auf Grundlage eines “Grundsatzbeschlusses” im Gemeinderat vom 30. Jänner 2006 geschlossen hat, so hat St. Pölten ein Problem.

Laut Peter Krammer wären rund 230 Derivativgeschäfte betroffen, alle müssten nachträglich vom Gemeinderat rückwirkend beschlossen werden. Eine Vorgehensweise, die Krammer zumindest für seine Partei ausschließt. Aber auch die SPÖ-Gemeinderäte sollten sich genau überlegen, ob sie ihrem Bürgermeister noch weiter in dieser Causa folgen: “Es gibt auch eine persönliche Haftung der Gemeinderäte.”

Der gesammelte Sachverhalt wird am Montag, 24. März 2014 von der ÖVP offiziell bei der St. Pöltner Staatsanwaltschaft eingebracht. Ob sich aus diesem verwaltungsrechtlichen Befund Anhaltspunkte auf strafrechtlicher Ebene ergeben wird derzeit heftig diskutiert. Im März erhob Krammer bereits im MFG-Magazin schwere Vorwürfe gegen Stadler und stellte die Frage in den Raum, ob Stadler Amtsmissbrauch und Untreue in Sachen SWAP-Causa vorzuwerfen sei.

Matthias Adl, Obmann der St. Pöltner ÖVP, kündigte unter dessen an, dass seine Partei die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss bekräftigen wird. Mit den anderen Oppositionsparteien werde man dazu Gespräche führen. Für die Einsetzung eines Ausschusses sind auch Stimmen der SPÖ nötig. Peter Krammer meinte, er sei gespannt, ob “die St. Pöltner SPÖ-Mandatare weiter die nötige Kontrolle verweigern würden”.

Am Montag, 24. März 2014 tagt um 9:00 Uhr im Rathaus der Finanzausschuss. Auch St. Pöltens Rechtsanwalt Lukas Aigner, der die Stadt im Zivilrechtsverfahren gegen die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien beim Streit um SWAP 707843 vertritt, wird dabei an den Ausschuss berichten. Für 11:30 Uhr ist eine Pressekonferenz mit Bürgermeister Stadler und Lukas Aigner angesetzt.

Im gerichtsanhängigen Verfahren geht es um etwa 12 Millionen Euro an Zahlungen, die St. Pölten bereits geleistet hat und einen offenen Streitwert von rund 80 Millionen Euro. Seitens des St. Pöltner Bürgermeisters bzw. des Magistrats wurde die Stellungnahme der Gemeindeaufsicht noch nicht kommentiert. Unklar ist derzeit, ob diese Stellungnahme die Rechtsposition der Stadt im Streit mit Raiffeisen stärken könnte — und der Argumentation hilft, dass das Geschäft gar nicht korrekt zustandegekommen sei. Vor diesem Hintergrund könnte sich die Rechtsmeinung der Gemeindeaufsicht auch als “Ass im Ärmel” der Stadt St. Pölten erweisen, wie auch Peter Krammer unterstreicht.

Die Diskussion um strafrechtliche Konsequenzen (Stichwort Amtsmissbrauch) sowie die politische Verantwortung der umstrittenen St. Pöltner “Schuldenbewirtschaftung” wird sich in den nächsten Wochen jedenfalls verstärken.