Gültig — oder nicht?

Die NÖ Gemeindeaufsicht stellt fest, St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) hätte ein Derivativgeschäft gar nicht abschließen dürfen — sondern dafür einen Gemeinderatsbeschluss benötigt. Ist das nun eine Ohrfeige für den Bürgermeister — oder ein Ass im Ärmel der Stadt gegen Raiffeisen?

Am 17. März 2014 antwortete die NÖ Gemeindeaufsicht an den St. Pöltner Klubchef Peter Krammer. Die oppositionelle ÖVP im St. Pöltner Rathaus hatte dem SPÖ-Bürgermeister vorgeworfen, ein Derivativgeschäft mit der Barclays Bank ohne ausreichender Befugnis abgeschlossen zu haben.

In der Reaktion der Gemeindeaufsicht lässt die Behörde keinen Zweifel daran, dass sie die Argumentation der Stadt nicht teilt und der Ansicht ist, dass dieses Geschäft vom Gemeinderat hätte abgeschlossen werden müssen. Eine nachträgliche Beschlussfassung des Stadtparlaments sei nötig um den Vertrag zu “sanieren”.

Lässt sich diese Einzelfallprüfung auch auf alle anderen Geschäfte umlegen, die der Bürgermeister “alleine” auf Grundlage eines “Grundsatzbeschlusses” im Gemeinderat vom 30. Jänner 2006 geschlossen hat, so hat St. Pölten ein Problem.

Laut Peter Krammer wären rund 230 Derivativgeschäfte betroffen, alle müssten nachträglich vom Gemeinderat rückwirkend beschlossen werden. Eine Vorgehensweise, die Krammer zumindest für seine Partei ausschließt. Aber auch die SPÖ-Gemeinderäte sollten sich genau überlegen, ob sie ihrem Bürgermeister noch weiter in dieser Causa folgen: “Es gibt auch eine persönliche Haftung der Gemeinderäte.”

Der gesammelte Sachverhalt wird am Montag, 24. März 2014 von der ÖVP offiziell bei der St. Pöltner Staatsanwaltschaft eingebracht. Ob sich aus diesem verwaltungsrechtlichen Befund Anhaltspunkte auf strafrechtlicher Ebene ergeben wird derzeit heftig diskutiert. Im März erhob Krammer bereits im MFG-Magazin schwere Vorwürfe gegen Stadler und stellte die Frage in den Raum, ob Stadler Amtsmissbrauch und Untreue in Sachen SWAP-Causa vorzuwerfen sei.

Matthias Adl, Obmann der St. Pöltner ÖVP, kündigte unter dessen an, dass seine Partei die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss bekräftigen wird. Mit den anderen Oppositionsparteien werde man dazu Gespräche führen. Für die Einsetzung eines Ausschusses sind auch Stimmen der SPÖ nötig. Peter Krammer meinte, er sei gespannt, ob “die St. Pöltner SPÖ-Mandatare weiter die nötige Kontrolle verweigern würden”.

Am Montag, 24. März 2014 tagt um 9:00 Uhr im Rathaus der Finanzausschuss. Auch St. Pöltens Rechtsanwalt Lukas Aigner, der die Stadt im Zivilrechtsverfahren gegen die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien beim Streit um SWAP 707843 vertritt, wird dabei an den Ausschuss berichten. Für 11:30 Uhr ist eine Pressekonferenz mit Bürgermeister Stadler und Lukas Aigner angesetzt.

Im gerichtsanhängigen Verfahren geht es um etwa 12 Millionen Euro an Zahlungen, die St. Pölten bereits geleistet hat und einen offenen Streitwert von rund 80 Millionen Euro. Seitens des St. Pöltner Bürgermeisters bzw. des Magistrats wurde die Stellungnahme der Gemeindeaufsicht noch nicht kommentiert. Unklar ist derzeit, ob diese Stellungnahme die Rechtsposition der Stadt im Streit mit Raiffeisen stärken könnte — und der Argumentation hilft, dass das Geschäft gar nicht korrekt zustandegekommen sei. Vor diesem Hintergrund könnte sich die Rechtsmeinung der Gemeindeaufsicht auch als “Ass im Ärmel” der Stadt St. Pölten erweisen, wie auch Peter Krammer unterstreicht.

Die Diskussion um strafrechtliche Konsequenzen (Stichwort Amtsmissbrauch) sowie die politische Verantwortung der umstrittenen St. Pöltner “Schuldenbewirtschaftung” wird sich in den nächsten Wochen jedenfalls verstärken.

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