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Im 17. Stock des Wiener Handelsgerichts findet heute die Fortsetzung der STP-SWAP-Causa statt. Die Erfahrung zeigt, dass rund um diese Prozesstermine in St. Pöltens politischer „Causa Prima“ auch abseits der zivilrechtlichen Ebene oft neue Entwicklungen stattfinden.

Auf der politischen Bühne war es in den letzten Wochen ruhig. Zwar hatte der St. Pöltner Gemeinderat in seiner Sitzung vom 31. März die Abhaltung von de-eskalierenden Parteigesprächen beschlossen, stattgefunden haben diese bis heute nicht. Auch eine gemeinsame Terminsuche der St. Pöltner Fraktionen hat bis dato nicht stattgefunden. Zuletzt kündigte Bürgermeister Matthias Stadler an, nach Ostern mit der FPÖ-Fraktion ein Vorgespräch zu führen. Die FPÖ hatte den Antrag eingebracht.

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Matthias Adl und Peter Krammer, beide ÖVP St. Pölten, kündigten am 21. März Post an die Staatsanwaltschaft St. Pölten an.

Die ÖVP feilt unterdessen noch an der Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft, die sie am 21. März bereits angekündigt hatte. Im Zuge der Aufregung rund um die Feststellung der NÖ Gemeindeaufsicht, dass ein Grundsatzbeschluss des Gemeinderates falsch sei, sah die St. Pöltner ÖVP das Vertrauen in den Bürgermeister massiv gestört und kündigte ein Schreiben an die Staatsanwaltschaft an. Seit längerem fragte sich beispielsweise ÖVP-Klubobmann Peter Krammer, ob das Verhalten des Bürgermeisters nicht Amtsmissbrauch und Untreue darstelle. Weder bei der St. Pöltner Staatsanwaltschaft, noch bei der „Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption“ sind entsprechende Sachverhaltsdarstellungen eingegangen, gegen den St. Pöltner Bürgermeister läuft kein Ermittlungsverfahren.

Im Wiener Handelsgericht ist heute die Vernehmung von zwei Zeugen geplant. Inhaltlich wird es dabei wieder um die Frage des Verjährungsverzichts gehen, den die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien ihrem Kunden, der Stadt St. Pölten, zugstanden hatte. Durch eine verspätete Zahlung der Stadt, sei der Verzicht jedoch hinfällig geworden, weshalb die Bank bestreitet, dass die Stadt das Geschäft überhaupt noch einklagen kann. Auch ist strittig, ob im Vorfeld dieses Verjährungsverzichts die Stadt mit der Bank „Vergleichsgespräche“ geführt hat, oder ob die Bank der Stadt immer gesagt hat, dass sie an keinem Vergleich interessiert sei.

„Wir sollten alle Freunde sein.“ Der St. Pöltner Gemeinderat ist sich darin nicht so einig.

Am Montag, 31. März 2014 wäre die nächste Zahlung aus dem klagsanhängigen SWAP-Geschäft fällig gewesen, rund 900.000 Euro hat die Stadt aber nicht an die RLB überwiesen. (Warum?) Grund dafür ist ein an diesem Tag gefasster Beschluss des Gemeinderates, die Zahlungen an die RLB einzustellen. Meine betont subjektiven Wahrnehmungen über drei Stunden als Zuhörer im St. Pöltner Gemeinderat.

Zum Auftakt diskutieren die Gemeinderäte einen dringlichen Antrag der FPÖ, argumentiert von Stadtrat Hermann Nonner. Es solle vereinbart werden, dass unverzüglich Parteiengespräche zum Thema SWAP-Klage aufgenommen werden. Nein, das muss der St. Pöltner Bürger nicht verstehen. Man kann das nur einfach so für sich stehen lassen, dass sich die gewählten Gemeindevertreter nun immerhin nach Monaten des Streitens (nicht nur vor Gericht, auch untereinander) eben erst nun darauf einigen, dass sie sich darüber austauschen. Ein österreichischer Ansatz: „Red ma drüber.“

Jetzt würde SPÖ-Bürgermeister Matthias Stadler (oder seine Fraktion) natürlich wieder anmerken, dass ja eh ständig und überhaupt informiert wird. Und der St. Pöltner ÖVP-Klubobmann Peter Krammer würde sinngemäß einwenden, dass „die Roten“ eben nur zugeben, was „die Schwarzen“ ihnen belegen könnten. Kennen wir alles – seit Monaten. Aber dennoch möchte ich das nochmals festhalten: da ist seit Monaten diese Mega-Causa am Dampfen und nach all der Aufregung – die ja durchaus auch substantiell ist, wie die völlige Strategieänderung der RLB-Klage im Verlauf des Abends zeigen wird – einigt man sich darauf, dass man sich halt darüber unterhalten wird. Keine Auflagen wann und wie oft bzw. wie konkret. Und natürlich kein Hinweis darauf, dass diese Gespräche öffentlich zu führen sein müssten. Also nichts, was der Bürgermeister nicht ohnehin schon längst hätte machen können, denn für Parteiengespräche braucht man nun wirklich keinen Gemeinderatsbeschluss.

Um das FPÖ-Kapitel gleich abzuschließen: Heidi Rosskopf ist wieder da – sie stellt auch brav Fragen (wenn es um Kostenüberschreitungen beim geplanten Park & Ride Deck geht). Den Knüller liefert sie aber bei ihrer Wortmeldung zum SWAP-Streit:

„Wir sollten alle Freunde sein. Es gibt zu viel Parteipolitik in der Lokalpolitik.“- Heidi Rosskopf (FPÖ)

Ja, naiv, keine Frage. Aber irgendwie auch am Kern der Sache, irgendwie. Peter Sommerauer ist drei Stunden lang nur physisch anwesend, keine nennenswerte Regung oder gar Wortmeldung. Und Klaus Otzelberger sagt zur SWAP-Sache das, was er seit gefühlten Ewigkeiten sagt: „Aber ich habe seit 2009 die SPÖ-Mehrheitsfraktion darauf hingewiesen, dass sie aus diesen Geschäften sofort aussteigen soll. Damals bin ich verhöhnt worden, ich habe das aber alles schwarz auf weiß in den Medien belegt, dass ich das schon damals gefordert habe und uns seit damals viel Geld erspart geblieben wäre…“ – Der am Thema Interessierte kann dieses „Gsatzl“ schon mitreden. Bleibt also Hermann Nonner in seinem grotesken Versuch den „elder statesman“ zu machen und einen einstimmigen Antrag für Gespräche „durchzusetzen“. Dem Bürgermeister kann man zu dieser FPÖ-Opposition nur gratulieren.

Nun also zur ÖVP: Die möchte ja einen eigenen Gemeinderatsausschuss einrichten lassen, der die diversen Spekulationsgeschäfte untersucht. Argumentiert wird das mit der mangelnden Kontroll- und Untersuchungsmöglichkeit in den bestehenden Ausschüssen, worüber sich natürlich trefflich streiten lässt. Die SPÖ argumentiert weiterhin, dass die bestehenden Gremien ausreichend Kontrollmöglichkeiten vorsehen. An dieser Front ist also nichts Neues zu erfahren – außer, dass die FPÖ mit der SPÖ gegen so einen Ausschuss stimmt. Nur ÖVP und Grüne wollen ihn.

Die Grünen. Julia Schneider ist physisch anwesend und versteht sich gut mit ihrer Grünen-Kollegin Nicole Buschenreiter – diese macht auch die ganze Arbeit der Grünen „Fraktion“, wenn sie etwa auf den Spuren ihrer Mutter wandelnd den Herrschaften von ÖVP und SPÖ etwas die Leviten liest. So wenig durchdacht und unprofessionell manche Aktion der Grünen Tag für Tag daher kommt, immerhin im Gemeinderat trifft Buschenreiter den Nagel durchaus auf den Kopf, etwa wenn sie die Frage wieder präzisiert, ob denn wir, der Gemeinderat, tatsächlich nichts vom angeblichen Risiko dieser hochspekulativen Finanzgeschäfte gewußt haben, die ihr Vorredner Robert Laimer zuvor dramatisch schilderte (kurz: schuld ist die „Hochfinanz“, die ÖVP sei ein „politischer Geisterfahrer“). Und sie sorgt für etwas Erheiterung und Menschlichkeit an ihrem „Brückenkopf“ zwischen FPÖ und SPÖ, rein Sitzplatz-technisch gesehen, was an diesem Abend durchaus auch einen Stellenwert hat.

Denn das Klima ist eigentlich eine Frechheit. Das sag ich jetzt als Bürger, der eben aus journalistischen Antrieb heraus das Thema der SWAP-Problematik sehr intensiv verfolgt, und sich darum als Vorabendprogramm diese Diskussion gibt.

Da ist zum einen der Bürgermeister, dem die ÖVP vorwirft, er habe über 200 Mal das Gesetz gebrochen und Geschäfte am Gemeinderat vorbeigeschwindelt. Kein Wunder, dass Stadler bei dieser Interpretation das sprichwörtliche Häferl übergeht. Ja, die Gemeindeaufsicht sagt, dass ein geprüftes Geschäft (und wohl in Folge zahlreiche andere) nicht korrekt zustandegekommen sind. Aber dass der Bürgermeister damit sprachlich vereinfacht zum Gesetzesbrecher gemacht wird – oder zum Geschäfte-am-Gemeinderat-vorbei-Schummler, das ist halt dann doch wieder ein ganz weit gespannter Bogen der dummen Parteipolitik, der ja gar nicht nötig wäre – wenn man das Problem einfach auf sachlicher Ebene belassen würde.

Stadler hat Recht, wenn er sich gegen diese Interpretation wehrt. Denn dass die Gemeindeaufsicht im Zuge der angesprochenen Prüfung drauf kommt, dass die Grundsatz-Richtlinie einfach falsch ist, das hatte nun wirklich niemand kommen gesehen. Zumindest nach den bisher bekannten Informationen. Auch Stadler betonte im Rahmen der Gemeinderatssitzung, dass er bis zum Schreiben der Gemeindeaufsicht keine Kenntnis darüber hatte, dass dieser Grundsatzbeschluss womöglich nicht rechtsgültig sei. Das ist nun aber ein springender Punkt. Die Vorwürfe der ÖVP kommen – zumindest in der verkürzten Form – so rüber, als hätte hier jemand absichtlich, wissentlich, Geschäfte „am Gemeinderat vorbei“ beschlossen. Dabei war es viel mehr der Fehler des Gemeinderats, dass er überhaupt so einen Beschluss gefasst hat. Und das hatte wohl weniger politisch motivierte Gründe, als vielmehr pragmatische. Es war eben in dieser Form einfach praktisch, die Geschäfte so zu schließen. Und dass die heute beklagte Bank damals angeblich aktiv in die Ausarbeitung des Beschlusses eingebunden war, das wird vielleicht vor Gericht noch näher gewürdigt und in Relation gesetzt.

Jedenfalls hat der Gemeinderat die Verantwortung an den Bürgermeister und mit ihm an die Verwaltung, den Magistrat, abgeschoben. Sollte sich im Verlauf der weiteren Diskussion zeigen, dass Stadler oder andere im Rathaus schon länger wußten, dass der Grundsatzbeschluss nicht dem gesetzlichen Rahmen entspricht, so kann man ihm das massiv vorwerfen. Bis dahin sollte man aber einfach von einem Systemversagen ausgehen. Auf juristischer Ebene bei der Ausarbeitung des Grundsatzbeschlusses und politisch – bei allen Fraktionen, die zugestimmt hatten (wohl auch ohne echte Möglichkeit die Rechtmäßigkeit des Beschlusses zu hinterfragen).

Gut auch, dass die ÖVP den von ihr vermuteten strafrechtlichen Aspekt der ganzen Geschichte nun bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hat. Auch wenn es für den Bürgermeister unangenehm ist, wenn ihm der eigene Gemeinderat zum Teil in dieser schwierigen Diskussion derart angreift – gerade die strafrechtliche Komponente der Diskussion ist für den Bürger da draußen unerträglich – und muss darum besser heute also morgen durch unabhängige Behörden geklärt werden.

Doch es ist nicht die ÖVP, der man nun die Verantwortung für die SWAP-Streiterein umhängen kann. Zum Argument, dass ja eh alles immer vollständig kommuniziert werde, genügt die Erinnerung an die Anfänge der SWAP-Klage. Bevor nicht in öffentlicher Verhandlung erste Details zum Verfahren bekannt wurden, wurde um die Causa der Mantel des Schweigens gehüllt. Erst seit sich Journalisten (und Politiker) beim zivilrechtlichen Verfahren ein eigenes Bild machen, wird von der Stadt durchaus professionell kommuniziert. Diese Flucht nach vorne hat der Position der Stadt auch gut getan, wurde doch immer klarer, warum sie das Geschäft eingeklagt hat und immer unverständlicher, warum sich Raiffeisen zu dieser Causa überhaupt nicht öffentlich äußert.

Doch zurück in den St. Pöltner Gemeinderat. Da holt die ÖVP also jetzt natürlich sehr weit aus, wohl aber auch als Ergebnis der monatelangen Vorgeschichte. Da wurde nämlich nicht nur der Bürgermeister von der ÖVP angegriffen, auch die SPÖ hielt sich nicht zurück und warf der ÖVP regelmäßig vor, dass sie mit der Bank im Boot sitzt. An sich schon kein schöner Vorwurf, so interpretiert die ÖVP das auch als Vorwurf die Interessen der Stadt nicht zu vertreten – was an sich auch Amtsmissbrauch wäre, sind doch alle Mandatare vereidigt, eben den Interessen der Stadt zu dienen. Dann noch die emotionale Ebene, die Vorwürfe, die Anfeindungen, in beide Richtung, schon klar. Und raus kommt dann so was:

„Der ÖVP ist die Stadt völlig wurscht! Zwei schwarze Schlümpfe patzen die Landeshauptstadt an.“ – Gemeinderat Andreas Fiala (SPÖ)

Gänzlich unbeeindruckt von seiner Vorrednerin Heidi Rosskopf („Wir sollten Freunde sein.“) bringt Andreas Fiala damit die Präpotenz der absoluten Mehrheit auf den Punkt. Auch wenn man in der Sache noch so uneins ist, auch wenn die Methoden und die Wortwahl der Opposition noch so unnötig erscheinen möge, aber der St. Pöltner ÖVP pauschal vorzuwerfen, dass ihr die Stadt wurscht sei und sie die Landeshauptstadt anpatzt, das zeigt das Problem im Kern: Die SPÖ kapiert nicht mehr den Unterschied zwischen Bürgermeister und Stadt.

Ist ja auch schwierig. Immerhin ist der Bürgermeister zwar vom Gemeinderat (als Politiker) gewählt, aber zugleich vertritt er die Stadt. Doch wenn ich auf politischer Ebene streite, dann kann man doch auch den Bürgermeister angreifen ohne als Generalverräter an der Stadt durchs Dorf getrieben zu werden? Im SPÖ-Universum ist das schwierig, wohl auch weil der normale Bürger nach Jahrzehnten der SPÖ-Alleinregierung „das Rathaus“ mit der SPÖ gleichsetzt. (So wie „das Land“ auch gemeinhin als durchwegs „Schwarze“ Einheit gesehen wird.)

Jedenfalls kommt es dann zur Abstimmung des Tagesordnungspunkts 8 samt vorgelagerter Diskussion. Soll die Stadt also nun sinngemäß sagen: „Öha, die Gemeindeaufsicht sagt, das Geschäft ist gar nicht gültig zustandegekommen, somit gibt’s kein Geschäft, somit gibt’s auch keine Verpflichtung unsererseits, dass wir daraus Zahlungen an die Bank leisten, haben wir eh schon immer gewußt!“ Der Antrag will das so. Lukas Aigner, der Rechtsanwalt der Stadt, habe diese Argumentation in einem vorbereitenden Meeting mit allen Fraktionen auch schlüssig erklärt. Stadler präzisiert: „Würden wir jetzt nicht die Zahlungen einstellen, so könnte man uns das auch zum Nachteil auslegen. Dass wir stillschweigend weiter gezahlt und damit die Zahlungsverpflichtung und das Geschäft akzeptiert hätten.“ Juristen halt.

Peter Krammer führt für die ÖVP aus, dass seiner Fraktion die Grundlagen zur Beurteilung des Antrags fehlen – es gebe schlichtweg keine Vertrauensbasis in dieser heiklen Frage mehr. Nach einigen Zwischenrufen dann die Überraschung, die ÖVP-Mandatare packen vorbereitete Taferl aus, stellen sie auf den Tisch und ziehen aus. Ein Auszug, den die SPÖ-Mandatare mit einem Bahö in schlechter Stammtischmanier zur Kenntnis nehmen.

BildOhne ÖVP wird weiter diskutiert. Nonner und die FPÖ wollen dem Antrag zustimmen, weil es „vielleicht die letzte Chance für die Stadt ist“. Wohl eine weitere verzichtbare Wortmeldung, zumindest wenn man möchte, dass der Gemeinderat geschlossen auftritt und die Rechtsposition der Stadt vertritt. Wobei die Expertise der FPÖ bei diesem Thema ja nicht unbedingt den Ausschlag geben wird.

Die Grünen, also Nicole Buschenreiter, verstehen den Auszug der ÖVP. (Ich übrigens bis heute nicht, weil Vertrauensbruch und mangelnde Informationen – das Argument ist ja nicht neu – da könnte man ja auch ablehnen oder sich enthalten, aber was versteh schon ich von der Dramaturgie im hohen Gemeinderat.) Doch Buschenreiter bringt das Problem wieder geschickt auf den Punkt. Die Argumentation des Stadt-Anwalts sei ihr schlüssig gewesen, aber eine Abstimmung darüber maße sie sich nicht an. Sie könne nicht sagen, welcher Schaden eintritt, wenn die Stadt jetzt die Zahlungen einstellt. Und es stößt ihr auf, dass man damit quasi „Selbstjustiz“ zeigt und das Risiko für die Stadt nochmals erhöhe. Die Enthaltung der Grünen begründet sie so:

„Ihre Sicherheit hätte ich gerne, Herr Bürgermeister!“ – Nicole Buschenreiter.

Der Antrag auf Einstellung der Zahlungen wird mit den Stimmen der SPÖ und der FPÖ angenommen. Die Grünen und Heidi Rosskopf (FPÖ) enthalten sich. Die ÖVP war nicht im Saal.

Abschließende Bemerkung:
Natürlich gibt es abseits der SWAP-Klage noch andere Dinge zu tun. So wurde im Gemeinderat debattiert, ob man die höheren Kosten für das in Bau befindliche Park & Ride Deck beim Bahnhof akzeptieren solle. Die Kosten des städtischen Anteils steigen um 1,8 Millionen Euro – Grund dafür ist, dass die ursprüngliche Kostenschätzung als Grundlage des Gemeinderatsbeschlusses falsch war. Die neuen, höheren Zahlen stimmen. Angefacht wird die Diskussion von Mario Burger (ÖVP), der seine berufliche Expertise dabei einbringt und die Gründe der Kostensteigerung hinterfragt. Es wird im Plenum durchaus konstruktiv diskutiert. Bleibt die Frage, was machen die Herrschaften eigentlich in den Auschüssen, in denen diese Anträge im Vorfeld vorbereitet werden? Sollte man dort nicht diskutieren, Fachmeinungen hören und etwaige Anregungen der anderen Fraktionen aufgreifen? Denn eines darf ich allen gewählten Mandataren sagen: Die Resonanz, die so manche Streiterei auf Kasperltheaterniveau in der Öffentlichkeit findet, ist minimal. Sie rechtfertigt sicher nicht den Gehalt, den Mandatare Monat für Monat überwiesen bekommen. Dafür würden wir uns schon etwas mehr Sacharbeit und etwas weniger Polemik und Präpotenz erwarten. Immerhin geht es um unser Geld. Und unsere Stadt!


Nachtrag vom 1. April 2014, 16:45 Uhr. Andreas Fiala hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich sein Schlümpfe-Zitat offenbar akkustisch nicht vollständig verstanden hatte. Es ging im Original nämlich so:

„Zwei schwarze Schlümpfe patzen den ‚Hulk Hogan‘ der Landeshauptstadt (unseren Bürgermeister) an, aber das ist der Öffentlichkeit ohnehin egal!“

Das hab ich so in der Tat nicht gehört, schade. Matthias „Hulk Hogan“ Stadler hätte ich mir gemerkt. Superhelden könnten wir in St. Pöltens Lokalpolitik nämlich momentan brauchen.

„Diesen Zuständen setzen wir jetzt ein Ende.“

St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) erhöht im Streit rund um SWAP 707843 den Einsatz. Die mit 31. März 2014 fällige Zahlung aus dem klagsanhängigen Geschäft von rund 900.000 Euro werde nicht überwiesen. Der Ball liegt nun bei der Bank. Auch auf der politischen Ebene stehen die Zeichen auf Showdown.

Gemeinsam mit Lukas Aigner (dem Rechtsanwalt, der die Stadt St. Pölten am Handelsgericht Wien im Streit mit der Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien, RLB,  vertritt) trat Stadler am 24. März 2014 vor die Presse. Seine Ausführungen begann er mit persönlichen Worten zu den jüngsten Vorwürfen der St. Pöltner ÖVP. Diese wolle ihn „anpatzen“, Stadler sehe eine „moralische Linie jetzt überschritten“. Was war passiert?

Im Juni 2012 schloss die Stadt ein Finanzgeschäft mit der Barclays Bank. Laut Stadt wurde damit das Ziel verfolgt, Risiko aus der städtischen Veranlagungsstrategie zu nehmen. Am 26. Juni dieses Jahres trat eine Novellierung des NÖ Stadtrechtsorganisationsgesetz (STROG) in Kraft, die Landesgesetzgebung hatte die Spielregeln im Hinblick auf derartige Geschäftsabschlüsse verschärft. Im September 2013 wollte St. Pöltens ÖVP-Klubobmann Peter Krammer in einer schriftlichen Anfrage von der NÖ Gemeindeaufsicht wissen, ob das Geschäft korrekt zustandegekommen sei. Strittig war dabei vor allem der Zeitpunkt des Geschäftsschlusses.

Im Zuge der Prüfung stellte die NÖ Gemeindeaufsicht nunmehr am 17. März 2014 fest, dass das Geschäft zwar noch vor dem Inkraftreten der Novellierung zustandegekommen sei, dass aber der Grundsatzbeschluss vom 30. Jänner 2006, der den Bürgermeister ermächtigte, derartige Finanzgeschäft zu schließen, an sich nicht rechtskonform sei. Die „Vermögensverschiebung“ in Folge des Geschäftes liege über einer im Gesetz definierten Wertgrenze, demnach sei eben dafür der Gemeinderat zuständig. Vereinfacht gesagt, würde der Grundsatzbeschluss Kompetenzen des Gemeinderates auf den Bürgermeister übertragen – ein No-Go aus Sicht der Landesverfassung. Ein Grundsatzbeschluss, dem damals übrigens alle Parteien zugestimmt hatten und den auch bis dato offenbar die erfahrenen Rathausjuristen als unproblematisch angesehen hatten.

Auch wenn die Gemeindeaufsicht nur das angefragte Geschäft mit der Barclays Bank geprüft hat, so ergeben sich aus dieser Feststellung weitreichende Konsequenzen.

Zum einen will die ÖVP darin einen „Rechtsbruch“ des Bürgermeisters erkennen, dieser habe „mehr als 200 Mal rechtswidrig spekuliert, Geschäfte am Gemeinderat vorbeigeschwindelt und St. Pölten ein hohes finanzielles Risiko aufgebürdet“, wie Peter Kramme in Richtung Stadler ausholt. Eine Sachverhaltsdarstellung sei an die Staatsanwaltschaft St. Pölten übergeben worden, die ÖVP hofft auf eine rasche Klärung, ob dem Bürgermeister Amtsmissbrauch oder Untreue vorzuwerfen ist und stellt schon mögliche Regressforderungen in den Raum.

Bürgermeister Stadler kontert damit, dass er (wie sein Vorgänger) nur die Vorgaben des (einstimmigen) Beschlusses des Gemeinderates angewandt hat – was man einem Bürgermeister ja auch schwer vorwerfen könne. Er sieht sich aus den Detailerkenntnis der Gemeindeaufsicht in seinem Handeln bestätigt, auch wenn er feststellt, dass „die Richtlinie laut Gemeindeaufsicht nicht rechtskonform“ war. Diese Feststellung möchte er nun im Zivilprozess gegen die Raiffeisenbank nutzen.

Schon bei Klagseinbringung argumentierte die Stadt, dass das Geschäft nicht gültig zustandegekommen sei, da ein Geschäft dieser Art von der Gemeindeaufsicht genehmigt hätte werden müssen. Darum hätte sich damals praktischerweise auch die Bank kümmern müssen. Wahr ist, dass das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) besonders Schutzvorschriften für Gemeinden vorsieht. Dass aber die Bank überhaupt eine Parteistellung hätte um sich bei der NÖ Gemeindeaufsicht um eine „Genehmigung“ eines Geschäftes mit der Statutarstadt St. Pölten zu bemühen, das ist den Fachleuten in der Landesverwaltung neu. Auch das STROG sah damals keine explizite Prüfpflicht für derartige Geschäfte vor. Die Würdigung dieser Frage obliegt somit in erster Instanz Richter Martin Ogris am Wiener Handelsgericht, die nächste Verhandlung ist für 6. Mai 2014 geplant.

Bis dahin dürften noch einige Schriftstücke in dieser Causa bei Richter Ogris einlangen. Stadler kündigte nämlich bei dieser Pressekonferenz auch die zweite Konsequenz der Feststellung der Gemeindeaufsicht an. Er werde ab sofort die Zahlungen an die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien (RLB) einstellen, die nächste Rate von rund 9 Millionen Euro sei am 31. März 2014 fällig. Stattdessen werde der am selben Tag im Gemeinderat diese neue „Strategie“ beschlossen, der Finanzanschuss habe bereits grünes Licht gegeben.

Bestärkt sieht sich Stadler auch durch Gutachten, welche die Stadt eingeholt habe und welche das klagsanhängige Geschäft als „hinsichtlich des damit verbundenen Risikos aktuell nicht mehr tragbar“ bezeichnen. Zudem sei der Währungskurs des Schweizer Frankens günstiger als noch vor einiger Zeit, weshalb sich bei einer möglichen „Schließung“ des Geschäftes durch die RLB nun nur ein theoretischer Schaden von 69 Millionen Euro ergebe – der Schaden war schon mal über 100 Millionen gelegen. Zudem habe Reinhard Karl, Vorstandsdirektor der RLB, bei seiner Einvernahme im Rechtsstreit am Handelsgericht Wien ausgesagt, dass es nie ernstgemeinte Vergleichsgespräche aus Sicht der RLB gegeben habe. Stadler dazu: „Die RLB hat offenbar jahrelang nur zum Schein mit uns über eine vergleichsweise Bereinigung des Problems verhandelt. Diesen Zuständen setzen wir jetzt ein Ende.“

Auch Lukas Aigner sieht in der Feststellung der Gemeindeordnung eine Stärkung der „Rechtsposition der Stadt St. Pölten“ und betont, dass es keinen Sinn mache für ein Geschäft zu zahlen, das rechtswidrig zustandegekommen sei. Also Einstellung der Zahlung. Besser man lässt sich von der RLB klagen, als man müsse selber von der RLB Zahlungen einklagen – sofern man vor Gericht Recht bekommt. „Der Ball liegt nun bei der Bank“, meint Aigner.

Neben der politischen Diskussion rund um die STP-SWAP-Causa tritt nun wohl in den nächsten Wochen auch der zivilrechtliche Streit wieder stärker in den Fokus. Ob sich mögliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft St. Pölten auf den Fortschritt der Verhandlung am Handelsgericht auswirken werden ist derzeit noch unklar.

Auf der Ebene der Gemeindepolitik scheinen nun aber die Fronten verhärteter denn je, eine gemeinsame Linie der gewählten Parteien im St. Pöltner Gemeinderat scheint in weiter Ferne.


ANMERKUNG vom 26.03.2014, 15:20 Uhr: Silvia Buschenreiter, ehemalige St. Pöltner Grünen-Chefin, hat mich auf folgendes Protokoll des Gemeinderates hingewiesen:

Protokoll der Sitzung des Gemeinderats vom 30. Jänner 2006: Abstimmung Punkt 6 der Tagesordnung – Richtlinien für den Einsatz von Derivativgeschäften / Neufassung: Der Gemeinderats stimmt dem Antrag mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FSP, bei Gegenstimmen der Grünen, zu.

Demnach ist der Antrag nicht einstimmig beschlossen worden. Ich nehme das gerne zur Kenntnis und danke für den Hinweis!


ANMERKUNG vom 27.03.2014, 14:30 Uhr: Bürgermeister Matthias Stadler hat mir ausrichten lassen, dass meine Darstellung zur Frage der fraglichen Genehmigung des Geschäfts durch die Gemeindeaufsicht nicht ganz richtig sei. Es sei vielmehr so gewesen, dass die RLB der Stadt explizit gesagt habe, dass sie diese Art von Geschäften mit der Gemeindeaufsicht abgeklärt habe und sich die Stadt darauf verlassen habe. Ich nehme dies gerne zur Kenntnis und bedanke mich für den Hinweis!

Gültig — oder nicht?

Die NÖ Gemeindeaufsicht stellt fest, St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) hätte ein Derivativgeschäft gar nicht abschließen dürfen — sondern dafür einen Gemeinderatsbeschluss benötigt. Ist das nun eine Ohrfeige für den Bürgermeister — oder ein Ass im Ärmel der Stadt gegen Raiffeisen?

Am 17. März 2014 antwortete die NÖ Gemeindeaufsicht an den St. Pöltner Klubchef Peter Krammer. Die oppositionelle ÖVP im St. Pöltner Rathaus hatte dem SPÖ-Bürgermeister vorgeworfen, ein Derivativgeschäft mit der Barclays Bank ohne ausreichender Befugnis abgeschlossen zu haben.

In der Reaktion der Gemeindeaufsicht lässt die Behörde keinen Zweifel daran, dass sie die Argumentation der Stadt nicht teilt und der Ansicht ist, dass dieses Geschäft vom Gemeinderat hätte abgeschlossen werden müssen. Eine nachträgliche Beschlussfassung des Stadtparlaments sei nötig um den Vertrag zu “sanieren”.

Lässt sich diese Einzelfallprüfung auch auf alle anderen Geschäfte umlegen, die der Bürgermeister “alleine” auf Grundlage eines “Grundsatzbeschlusses” im Gemeinderat vom 30. Jänner 2006 geschlossen hat, so hat St. Pölten ein Problem.

Laut Peter Krammer wären rund 230 Derivativgeschäfte betroffen, alle müssten nachträglich vom Gemeinderat rückwirkend beschlossen werden. Eine Vorgehensweise, die Krammer zumindest für seine Partei ausschließt. Aber auch die SPÖ-Gemeinderäte sollten sich genau überlegen, ob sie ihrem Bürgermeister noch weiter in dieser Causa folgen: “Es gibt auch eine persönliche Haftung der Gemeinderäte.”

Der gesammelte Sachverhalt wird am Montag, 24. März 2014 von der ÖVP offiziell bei der St. Pöltner Staatsanwaltschaft eingebracht. Ob sich aus diesem verwaltungsrechtlichen Befund Anhaltspunkte auf strafrechtlicher Ebene ergeben wird derzeit heftig diskutiert. Im März erhob Krammer bereits im MFG-Magazin schwere Vorwürfe gegen Stadler und stellte die Frage in den Raum, ob Stadler Amtsmissbrauch und Untreue in Sachen SWAP-Causa vorzuwerfen sei.

Matthias Adl, Obmann der St. Pöltner ÖVP, kündigte unter dessen an, dass seine Partei die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss bekräftigen wird. Mit den anderen Oppositionsparteien werde man dazu Gespräche führen. Für die Einsetzung eines Ausschusses sind auch Stimmen der SPÖ nötig. Peter Krammer meinte, er sei gespannt, ob “die St. Pöltner SPÖ-Mandatare weiter die nötige Kontrolle verweigern würden”.

Am Montag, 24. März 2014 tagt um 9:00 Uhr im Rathaus der Finanzausschuss. Auch St. Pöltens Rechtsanwalt Lukas Aigner, der die Stadt im Zivilrechtsverfahren gegen die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien beim Streit um SWAP 707843 vertritt, wird dabei an den Ausschuss berichten. Für 11:30 Uhr ist eine Pressekonferenz mit Bürgermeister Stadler und Lukas Aigner angesetzt.

Im gerichtsanhängigen Verfahren geht es um etwa 12 Millionen Euro an Zahlungen, die St. Pölten bereits geleistet hat und einen offenen Streitwert von rund 80 Millionen Euro. Seitens des St. Pöltner Bürgermeisters bzw. des Magistrats wurde die Stellungnahme der Gemeindeaufsicht noch nicht kommentiert. Unklar ist derzeit, ob diese Stellungnahme die Rechtsposition der Stadt im Streit mit Raiffeisen stärken könnte — und der Argumentation hilft, dass das Geschäft gar nicht korrekt zustandegekommen sei. Vor diesem Hintergrund könnte sich die Rechtsmeinung der Gemeindeaufsicht auch als “Ass im Ärmel” der Stadt St. Pölten erweisen, wie auch Peter Krammer unterstreicht.

Die Diskussion um strafrechtliche Konsequenzen (Stichwort Amtsmissbrauch) sowie die politische Verantwortung der umstrittenen St. Pöltner “Schuldenbewirtschaftung” wird sich in den nächsten Wochen jedenfalls verstärken.